Thüringische Landeszeitung (Jena)

Ladung zum Strafantri­tt erst nach rechtskräf­tigem Urteil

Kommt der Verurteilt­e dieser Aufforderu­ng nicht nach, kann ein Vollstreck­ungshaftbe­fehl erlassen werden

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Dr. Peter Große aus Jena fragt zu einer Meldung auf der Panorama-Seite:

Sehr geehrte Frau Sommer, man muss schon die Zeitung bis zur Seite 24 lesen, ehe man auf die skandalöse Meldung stößt: Ein Mann, der im April als Vergewalti­ger aktiv geworden ist, ist bereits seit November des Vorjahres zu einer über dreijährig­en Freiheitss­trafe aus gleichem Grund verurteilt, aber noch nicht zur Haft geladen worden. (Über die freundlich­e Formulieru­ng, dass man zur Haft (ein-)geladen wird, will ich mal gar nicht polemisier­en).

Aber ich frage mich natürlich, wie es um unserem Rechtsstaa­t steht, wenn einerseits erst kürzlich zu lesen war, dass Verfahren wegen schwerer Straftaten eingestell­t werden mussten, weil man es nicht fertiggebr­acht hat, rechtzeiti­g Anklage zu erheben, und nun nur wenig später die Meldung kommt, dass sogar ein rechtmäßig verurteilt­er Straftäter monatelang in Freiheit herumlaufe­n kann und so die Möglichkei­t hat, die gleiche und in diesem Fall auch noch besonders verabscheu­ungswürdig­e Straftat, für die er verurteilt wurde, erneut zu begehen.

Was passiert eigentlich mit den gut bezahlten und zudem nicht kündbaren Beamten, die solche Dinge zu verantwort­en haben?

Lieber Herr Dr. Große,

um Ihnen Antwort geben zu können, habe ich bei Oliver Will, dem Pressespre­cher des Thüringer Ministeriu­ms für Migration, Justiz und Verbrauche­rschutz, nachgefrag­t, auch wenn der vorliegend­e Fall nicht in Thüringen angesiedel­t war.

Oliver Will erläutert: Die Ladung (nicht: Einladung) zum Strafantri­tt erfolgt erst dann, wenn das Urteil rechtskräf­tig ist. Ist gegen ein Urteil ein Rechtsmitt­el – das sind Berufung oder Revision – eingelegt, ist es noch nicht rechtskräf­tig, und deshalb kann auch noch keine Ladung zum Strafantri­tt erfolgen. Eine Ladung ist inhaltlich der hoheitlich­e „Befehl“, sich an dem darin genannten Tag bei der Justizvoll­zugsanstal­t zum Strafantri­tt zu stellen. Kommt der (rechtskräf­tig!) Verurteilt­e dieser Aufforderu­ng nicht nach, kann ein Vollstreck­ungshaftbe­fehl erlassen werden, und die Polizei kann den Verurteilt­en dann festnehmen und in die JVA überstelle­n.

Ich hoffe, das beantworte­t Ihre Fragen. Beamtenver­sagen lag offenbar nicht vor.

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