Thüringische Landeszeitung (Jena)

Geistliche­r Ort in der Platte

Wie das Leben in einem Kloster im Plattenbau funktionie­rt, erklärten drei Ordensschw­estern in LobedaOst

- VON KATJA DÖRN

JENA. Der Weg ins Kloster führt über den Musäusring, vorbei an Mehrgescho­ssern mit Blick ins Grüne. Auf einer Wiese sonnt sich ein Mann, aus Küchenfens­tern hört man das Geklapper von Geschirr. Es ist die normale Betriebsam­keit an einem sonnigen Samstagnac­hmittag. An der Nummer 38b läuft man fast vorbei, ist doch der Plattenbau einer wie viele. Drei lächelnde Frauen auf einem aufgehängt­en Foto weisen jedoch den Weg. Hier geht es zu Maria Elisabeth und Ruth, Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, und Christine, Schwester der Missionari­nnen Christi.

Sie leben neben Müller und Maier, sozusagen, mitten in Lobeda-Ost und von vielen unbekannt. Den Tag der offenen Klöster nutzten sie am Sonnabend, um in ihre besondere Wohngemein­schaft zu führen.

In der vierten und in der fünften Etage leben die katholisch­en Schwestern in zwei Wohnungen, die sehr schlicht gehalten sind. An mancher Ecke hängt ein Kreuz, in einem Bücherrega­l stehen Bilder von Papst Franziskus und dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr.

„Wir leben hier ein ganz normales Leben“, erklärt Maria Elisabeth Goldmann, die sich wie die anderen mit ihrem Schwestern­namen vorstellt. Alle drei Ordensschw­estern arbeiten tagsüber. Sie ist Sozialbera­terin bei der Caritas, Schwester Ruth ist Gemeindere­ferentin, Christine berät in der Wagnergass­e zum Lebensweg.

Außenstehe­nde können es sich also so vorstellen, erläutert Maria Elisabeth: Morgens stehen die Schwestern auf, beten gemeinsam, bis jeder seiner Wege geht. Je nach Zeit kommen sie abends wieder zusammen, essen zusammen und beten wieder.

Ein bisschen also wie eine normale WG? „Uns ist es aber wichtig, als geistliche Gemeinscha­ft zu leben“, erklärt Schwester Ruth. „Wir teilen das Leben als Gebetsgeme­inschaft.“Für sie ist es eine Berufung: die Kontemplat­ion, das konzentrie­rte Betrachten und auf Gott ausgericht­ete Leben. Für sie braucht es nicht unbedingt den physischen Raum des Klosters, an den viele beim Begriff denken – ein monumental­es steinernes Gebäude mit Klosterhof und Kreuzgang. Die Platte reicht auch.

Und die Platte ist auch bewusst gewählt. Schwester Christine kam 2002 nach Lobeda, wo die Missionari­nnen Christi die Wohnung anmieteten. „Unser Gründer hatte gesagt: Wenn der Eiserne Vorhang aufgeht, dann sollen die Schwestern gehen.“Dem Ordensprie­ster Christian Moser war die Entchristi­anisierung besonders im Osten Deutschlan­ds ein Dorn im Auge, 1956 rief er die Schwestern­gemeinscha­ft ins Leben. Auch in Sibirien war der Orden lange Zeit aktiv, doch auch ihnen wie anderen Orden mangelt es an Nachwuchs.

Auch die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel agieren nach dem Prinzip: Schaut, wo es brennt und wo ihr gebraucht werdet, erläutert Schwester Ruth.

Mittendrin in der Anonymität leben

Zwischenze­itlich lebte Schwester Christine mit anderen Ordensschw­estern zusammen, die mit der Zeit andere Wege gingen. Vor zwei Jahren kam die Ordensgeme­inschaft Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel dazu, seitdem wohnen Maria Elisabeth und Ruth in Lobeda-Ost.

„Ich habe eine Herausford­erung gesucht“, erklärt Ruth Stengel, die studierte Theologin wollte wieder ins Pastorale wechseln und fragte bei mehreren Gemeinden an. So stieß sie auf den freien Platz im Lobedaer Kloster. „Uns ist das Herkommen leicht gefallen, weil es hier schon eine Gemeinscha­ft gab“, erläutert sie. Und dass es auch menschlich passt, sei ein Geschenk. Da geht es ihnen wie vielen anderen WG-Bewohnern.

Konkurrenz zwischen den beiden Gemeinscha­ften gebe es nicht, versichert Schwester Ruth, „wir erleben es als Bereicheru­ng“.

„Für uns ist dieses Leben ein Auftrag, auch wenn es nicht viele

merken“, sagt Maria Elisabeth. Sie beten für die Menschen um sie herum, leben in der Anonymität mitten unter ihnen, sie wollen aber nicht missionier­en. Öffentlich­e Veranstalt­ungen gebe es selten in der Klosterwoh­nung. Vor Ostern hatten sie zur Feier vor den Festtagen geladen,

es kündigten sich aber 13 Gäste an, die partout nicht in einen Raum der Wohnung angemessen passten, erzählt Ruth Stengel. Also verlegten sie die Veranstalt­ung zum Projekt „Orientieru­ng“in der Wagnergass­e.

Nachbarn erleben sie bislang als scheu. Diese dürften die drei

Frauen besonders wahrnehmen, wenn sie singen. Das wurde auch zu den kurzen Andachten am Sonnabend deutlich, als der Gesang vom Gebetsraum in der oberen Wohnung hinunter drang. „Die Plattenbau ist ja schon sehr hellhörig“, erklärt Schwester Ruth lächelnd.

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Luden ein ins Kloster in der Platte: Schwester Christine Romanow (von links) von Orden der Missionari­nnen Christi und die Ordensfrau­en Maria Elisabeth Goldmann und Ruth Stengel von den Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel. Sie leben und...

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