Thüringische Landeszeitung (Jena)
Der Zorn kocht hoch
Hitzige Debatte um die Baupläne der ErnstAbbeStiftung am früheren Alten Gut in Burgau
JENA. Elisabeth Wackernagel bläst in die Trillerpfeife. Es ist ein Wettkampfbeginn der politischen Art, den die Vorsitzende des Stadtentwicklungsausschusses und frühere StadtsportbundChefin am Samstagvormittag in Burgau einläutet. Ausschussmitglieder, etwa 70 Einwohner des Ortsteil und Vertreter der ErnstAbbe-Stiftung debattierten teilweise hitzig rund um die Brachfläche am einstigen Alten Gut. Wir erklären die komplexe Gemengelage.
Was ist für die Brachfläche des früheren Alten Guts geplant? Die Ernst-Abbe-Stiftung will auf der Fläche von Grenzstraße, Ecke Geraer Straße ein neues Wohnquartier errichten. Geplant sind 50 barrierearme oder barrierefreie Wohnungen. Außerdem werden 50 Wohnungen für Senioren errichtet, die an ein Hausnotrufsystem angeschlossen sind. Im Konzept stehen auch eine Tagespflege und Möglichkeiten, kleines Gewerbe anzusiedeln. Alles im allem werden etwa 250 neue Einwohner in Burgau dazukommen.
Warum ist das Projekt umstritten innerhalb des Ortsteils? Anwohner und andere Bürger stören sich prinzipiell an zwei Dingen: dem Ausmaß des Projektes und der Höhe des mittig stehenden Wohnhauses. Dieses ist auf etwa 17 Meter ausgelegt. „Jeder, der das sieht, sagt: Das geht ja gar nicht“, sagt Michael Willsch aus Burgau. Der dörfliche Ortsteil mit seinem unter Schutz stehenden Denkmalensemble werde verschandelt. Weitere Kritikpunkte: Die Verdichtung des Ortsteils durch die 250 neuen Einwohner – von einem „Ghetto“sprach sogar eine Bürgerin – sowie einem drohenden Parkplatzproblem. Die Tiefgarage sei zu klein angelegt. Ein Vater beklagt, dass durch die Ausfahrt am östlichen Teil größere Verkehrsströme am nahen Mit Plakaten wie diesem machen die Bürger auf ihre Forderungen aufmerksam.
Kindergarten vorbeiführen. Schon heute würden zahlreiche Kinder mit dem Auto hergebracht, ohne weitere Stellplätze drohe ein Verkehrschaos.
Direkt betroffene Anlieger brachten weitere Kritikpunkte ein, viele solidarisieren sich mit ihnen. Grundlegend sagen aber die meisten Burgauer: Bebaut werden muss die Brachfläche auf lange Sicht.
Was sagt die Bauherrin, die ErnstAbbeStiftung? Jörg Hühn, stellvertretender Geschäftsführer der Ernst-Abbe-Stiftung, schwankte vom geduldigen Zuhören hin zu vehementen Klarstellungen. Er betont: „Vieles ist falsch oder wird falsch kommuniziert.“
Der Punkt Tiefgarage: Dort entstehen weit mehr als die angesprochenen 68 Parkplätze, er spricht von mehr als 100. Zudem ziehen perspektivisch auch viele Senioren ein, die selbst kein Auto besitzen oder es – mit Blick auf die Befürchtung des Verkehrschaos – nicht täglich benutzen. „Das wird doch kein Einkaufszentrum, aus dem ständig Autos herausfahren“, sagt er. Das ist Spekulation, schallte es aus den Reihen der Bürgerschaft. Anstoß aller Diskussion ist immer der B-Plan, der allerdings
nicht bedeute, dass die Stiftung bis zur eingezeichneten Grenze baue. Die Stiftung beharrt darauf, dass die detaillierten Planungen erst weitergehen können, wenn der Plan vom Stadtrat abgenickt wird. Das passt den Burgauern nicht, sie wollen jetzt Gewissheit.
Und schließlich die Höhe: Einen zweigeschossigen Bau kann und werde die Stiftung nicht umsetzen. Die Betriebskosten des Fahrstuhls seien für die künftigen Mieter zu hoch.
Ging der politische Prozess an den Bürgern vorbei?
Eigentlich verliefen die Planungen sehr vorbildlich, sagt auch Ortsteilbürgermeister Herbert Brauns. Mitarbeiter sprachen mit dem Ortsteilrat und luden zu mehreren Bürgerwerkstätten ein. Das Konzept wurde bei der Stadtverwaltung eingebracht und dementsprechend auch das Denkmalamt eingeschaltet. Es gab Detailänderungen, der Stadtrat stimmte Anfang 2017 für den Entwurf des BPlans. Die Stiftung stellte das Projekt anschließend mit einem 3-D-Modell aus und jeder Bürger konnte einen Blick darauf werfen.
Der Stadtentwicklungsausschuss votierte im Februar einstimmig für den Satzungsbeschluss – auch weil der Burgauer Ortsteilrat das Projekt in höchsten Tönen lobte. Von den 148 Bürger-Einwendungen nach der öffentlichen Auslegung folgte die Stadtverwaltung nur fünf.
In der Stadtratssitzung im März kam der Dämpfer: Auf Antrag von Heidrun Jänchen (Piraten) wurde der B-Plan in den Ausschuss zurückverwiesen.
Für Elisabeth Wackernagel steht fest: Der Ortsteilrat hätte die Ausschussmitglieder schon frühzeitig über die Bedenken der Bürgerschaft informieren müssen. Beim Thema künftige verkehrsrechtliche Planung platzte ihr schließlich der Kragen gegenüber Ortsteilbürgermeister Brauns: „Sagen Sie es doch mal Ihren Bürgern. Dafür sind Sie doch da.“
Was sagt Stadtentwicklungsdezernent Denis Peisker (Grüne)?
Ihn verwundert die Kritik der Bürger: „Niemand will das schöne Burgau zerstören.“Der Prozess um den B-Plan habe zu einem guten Kompromiss geführt, der den „jahrelangen städtebaulichen Missstand“beseitige. Die Abwägungsprozesse würden immer schwieriger, er habe auch schon mehrere EMails von potenziellen neuen Mietern erhalten.
Wie geht es jetzt mit dem Projekt weiter?
Am Donnerstag steht der BPlan erneut auf der Tagesordnung des Stadtentwicklungsausschusses. Einem Vertreter der Bürgerschaft kann zur öffentlichen Sitzung nach Anmeldung Rederecht eingeräumt werden. Ausschussmitglied Bastian Stein (Grüne) brachte es auf den Punkt: Ihnen bleibt trotz diffiziler Lage nur die grundlegende Entscheidung zwischen Ja oder Nein. Möglich ist auch eine reine Lesung und somit Beschlussvertagung, sagte Vorsitzende Wackernagel.
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