Thüringische Landeszeitung (Jena)
Herzog Carl Bernhard – Weimars kluger Globetrotter
„Am 4en April, Montag, verließ ich Nachmittags 4 Uhr, nachdem ich von meiner Frau, meinen Kindern und Freunden herzlichen Abschied genommen hatte, meine Residenz Gent, und fuhr, nur von meinem treuen Diener Böttner begleitet, nach Antwerpen…“So beginnt eines der bemerkenswertesten Reisetagebücher, die je aus der Feder eines Mitglieds der Familie derer von SachsenWeimarEisenach geflossen sind: Herzog Carl Bernhard. Der zweite Sohn des Großherzogs Carl August, 1792 in Weimar geboren, reiste von dem Tag im Jahre 1825 an bis in den August 1826 nach Amerika und durchquerte das Land von New Orleans bis New York. Er traf sich mit dem amerikanischen Präsidenten John Quincy Adams, begegne te dem großen Thomas Jefferson, trieb intensive Studien über Land und Leute, wich keinen Slawenquartieren aus, transportierte Holz auf dem Ohio und beschrieb die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft, wie es ein Humboldt kaum besser konnte.
Carl Bernhard bewies einen klaren Blick für die gegenüber Europa so ganz anderen politischen und gesellschaftlichen Zustände. Er konnte seine Eindrücke und Erkenntnisse in einer selbst für heutige Verhältnisse modernen Sprache so differenziert ausdrücken, dass man sich unwillkürlich fragt, woher hatte der kleine Prinz aus der Provinz, der überdies als zweitgeborener Sohn keinerlei Herrschaftsansprüche in die Wagschale werfen konnte, all die Fähigkeiten? Und warum hat er die Reise in Gent und nicht in Weimar angetreten?
Carl Bernhard war ein Naturtalent, der in seinem stürmischen Naturell manchen jugendlichen Bock schoss und der in seiner steilen militärischen Karriere genügend Gelegenheiten nutzte, seine vielfältigen geistigen, militärischen, mathematischen oder literarischen Fähigkeiten zu erproben: Der 14Jährige focht bei
Jena im Oktober 1806, für Wagram 1809 bekam er von Napoleon das Kreuz der Ehrenlegion – um dem Spender
1815 bei Quatre Bras und Waterloo die Niederlage zu bereiten. Carl Bernhard trat als General in niederländische Dienste und stieg bis zum Militärgouverneur im ostindischen Java auf.
Und er reiste, wo er nur konnte. Das Jahr in den USA ist in dem dicken Ta gebuch dokumentiert, das bereits 1828 unter maßgeblicher Förderung durch Goethe zumindest in Teilen veröffentlicht worden ist. Im vergangenen Jahr ist das Dokument, herausgegeben von Walter Hinderer und Alexander Rosenbaum, erstmals vollständig nach der schwierigen originalen Handschrift, ausführlich kommentiert und aufbereitet, veröffentlicht worden.
Das bescheiden wirkende Glanzstück ist eine Mahnung: der Weltgeist Carl Bernhard kommt in der Geschichte der ernestinischen Fürstentümer stets zu kurz, weil er so selten in der Heimat war. Dabei hat er sich sein ganzes Leben intensiv für sein Herkunftsland interessiert und besonders den regierenden Bruder Carl Friedrich mit Hingabe geliebt – auf seine, die Welt vermessende Art. Er war mit der Prinzessin Ida von SachsenMeiningen verheiratet und hat seinen Lebensabend auf Schloss Altenstein bei Liebenstein verbracht, wo er 1862 gestorben ist. Auf jenem Schloss Altenstein, das 1982 ausgebrannt ist und jetzt nach dem Muster der Umbauten durch Herzog Georg II. von Meiningen am Ende des 19. Jahrhunderts mühsam und kunstvoll restauriert wird. Man gedenkt dort des großen Musikers Johannes Brahms. Doch vielleicht fällt auch ein saniertes Stübchen für die Erinnerung an Carl Bernhard ab.
Gemeinsam mit seinem Sohn Wilhelm unternahm er, neben geradezu selbstverständlichen Besuchen in Frankreich, England und Italien, in den dreißiger Jahren eine zweite große Reise: In der klaren Erkenntnis, dass Euro pa in das Industriezeitalter eingetreten war, in dem die Welt weiter wurde, galt es, neben der Beachtung für die aufsteigende Großmacht USA stets einen wachen Blick nach Osten zu werfen. Sie reisten von Petersburg aus quer durch Russland an das Schwarze Meer und weiter durch das Osmanische Reich. Später folgten Ägypten und Indien.
Um das dabei hinterlassene Erbe an Tagebüchern, Aufzeichnungen und Korrespondenzen hat sich bislang kein Wissenschaftler gekümmert. Dafür ist nun, im Gedenkjahr für Carl Alexander, Anlass gegeben: Goethes Weltbild über Amerika fußte ganz merklich auf den Erlebnissen und Erkenntnissen Carl Bernhards. Carl Alexander betrachtete Russland als seine zweite Heimat. Da hatte Carl Bernhard kräftig vorgearbeitet.