Thüringische Landeszeitung (Jena)
Werkleiter im Wahlkampf-Modus
Jonas Zipf entschuldigt sich für eine EMail – Plötzlich hat Jena einen Lagerwahlkampf
JENA. Auch wenn man es überwunden glaubte, mit der Stichwahl kehrt der Lagerwahlkampf zurück. Dabei stehen sich nicht die Personen, sondern die Parteien gegenüber: sozialer Frieden oder neoliberale Wende? Albrecht Schröter (SPD) oder Thomas Nitzsche (FDP)?
Vor allem Jenas SPD baut diesen Antagonismus derzeit auf, der die deutsche Politik bis weit in die 1990er Jahre prägte, der allerdings in der Kommunalpolitik eher obsolet ist. Hier geht es um eine pragmatische Sachpolitik und weniger um ideologische Grundsatzdebatten. Die neue Angst vor einem neoliberalen Kahlschlag bediente auch der bündnisgrüne Ratsherr Tilo Schieck, der auf change.org einen Wahlaufruf der Jenaer Kultur initiierte. Dass Jonas Zipf als Werkleiter von Jenakultur diesen Aufruf über sein städtisches E-Mail-Konto weiterleitete und um Unterstützung für Oberbürgermeister Albrecht Schröter warb, sorgte hinter den Kulissen für Ärger. „In Sachen Kultur sollten wir nicht in die Zeiten Röhlingers zurückfallen“, schrieb Zipf in der Mail vom 18. April. Betreff: „Stichwahl Ende kommender Woche.“ Die Echtheit dieser Mail, die unserer Redaktion anonym zugespielt worden war, bestätigte Zipf. Und er entschuldigte sich sofort. „Ja, es war ein Fehler“, sagte der Werkleiter gestern auf Nachfrage unserer Zeitung. Mit dieser Mail habe Jonas Zipf gegen das Neutralitätsgebot verstoßen, sagte Martin Pfeiffer, Fachbereichsleiter Recht und Personal in der Stadtverwaltung. Ausgangspunkt ist das Grundgesetz, wo es im Artikel 20 unter anderem sinngemäß heißt: Die politische Willensbildung geht vom Volke aus, nicht von der kommunalen Exekutive.
Schon deshalb ist es Staatsorganen von Verfassung wegen versagt, „sich in amtlicher Funktion im Hinblick auf Wahlen mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen, insbesondere durch Werbung die Entscheidung des Wählers zu beeinflussen“, urteilte das Bundesverfassungsgericht bereits in den 1970er Jahren.
Zipfs Agieren sei ein Fall für eine Ermahnung, eine missbilligende Äußerung, die eine Vorstufe zur Abmahnung sei, sagte Pfeiffer. „Der Oberbürgermeister war alles andere als amüsiert“, meinte der Fachbereichsleiter.
Der Werkleiter selbst betonte, sich am Wochenende mit Thomas Nitzsche getroffen und sich entschuldigt zu haben. Allerdings stehe er als Privatperson zu der Aussage, dass in der Amtszeit Albrecht Schröters die Kultur endlich die politische Aufmerksamkeit bekommen habe, die ihr gebühre. Der Verweis auf Peter Röhlinger bedeute hingegen nicht, dass es unter ihm als FDP-Oberbürgermeister einen kulturellen Kahlschlag gegeben habe. Peter Röhlinger war zwar bereit, 2003 das Romantikerhaus der Haushaltsdisziplin zu opfern, seine Verdienste um die Gründung des Eigenbetriebes Jenakultur, um das Theaterhaus sowie um den Titel „Stadt der Wissenschaft“, den Jena 2008 erhielt, sind in der Stadtpolitik jedoch unbestritten.
Dass der Wahlkampf anderer Parteien zumindest in einem Graubereich angesiedelt war, bewies auch die CDU in Jena: Auf einem Wahlplakat war der OB-Kandidat Benjamin Koppe unter anderem mit Uwe Feige zu sehen. Feige ist zwar Mitglied des CDU-Vorstandes, aber eben auch Werkleiter des Kommunalservices Jena und somit ein Bediensteter der Stadt. Allerdings tauchte diese Zuordnung an keine Stelle des Plakates auf.
Verstoß gegen das Neutralitätsgebot