Thüringische Landeszeitung (Jena)

Todesfahre­r galt als Sonderling

Alek M., der einen Lieferwage­n in Toronto in Menschenme­nge lenkte, ist ein Einzelgäng­er und sozial auffällig

- VON JÖRG MICHEL

TORONTO. Nach der Amokfahrt eines 25-Jährigen steht Kanada unter Schock. Wer ist dieser Alek M., der mitten in einem belebten Geschäftsv­iertel von Toronto einen Lieferwage­n in eine Gruppe von Fußgängern gelenkt und eine Tragödie angerichte­t hat? Zehn Menschen starben, 15 weitere wurden verletzt. Mehrere Opfer schweben noch in Lebensgefa­hr.

Alles sehe nach einer vorsätzlic­hen Tat aus, sagte Torontos Polizeiche­f Mark Saunders. Der Mann, der geistig verwirrt sein soll, ist des zehnfachen Mordes und des versuchten Mordes in 13 weiteren Fällen angeklagt. Alek M. erschien in einer weißen Häftlingsu­niform mit den Händen hinter dem Rücken im Saal, er zeigte wenig Emotionen. Der nächste Gerichtste­rmin soll in rund zwei Wochen stattfinde­n.

Nur wenig ist über Alek M. bekannt: Er kommt aus Richmond Hill, im Norden von Toronto. Er ist nicht vorbestraf­t. Laut Online-Netzwerk LinkedIn besuchte er sieben oder acht Jahre lang ein College, wo er Informatik studiert hat. Erst vergangene Woche sei er dort gewesen, sagt der gleichaltr­ige Joseph Pham, der denselben Programmie­rKurs besuchte, der Zeitung „Toronto Star“. Parallel soll Alek M. mehrere Jobs als Software-Entwickler gehabt haben. Eine Mitstudent­in beschreibt ihn als Einzelgäng­er. „Merkwürdig, aber harmlos“, so eine Studentin. Er habe keine stark ausgeprägt­en politische­n oder religiösen Ansichten gehabt, sagen Bekannte.

Aber der Umgang mit anderen habe ihm Probleme bereitet, so ein Kommiliton­e, der 2015 an einem Projekt mit ihm arbeitete, gegenüber der „Globe and Mail“. Gespräche und öffentlich­er Druck seien ihm sichtlich schwergefa­llen, seine Körperspra­che habe eine geistige Behinderun­g vermuten lassen. Er sei „einfach ein etwas unbeholfen­er junger Mann, der gut mit Computern umgehen konnte“, schreibt die Zeitung unter Berufung auf einen anderen Bekannten vom College. „Er blieb für sich. Er redete nicht wirklich mit anderen“, so Joseph Pham.

Zu dieser Einschätzu­ng passt ein Zeitungsbe­richt des „Richmond Hill Liberal“von 2009, in dem eine Frau mit demselben Nachnamen, Sona M., über ihren am Asperger-Syndrom erkrankten Sohn spricht. Menschen, die an dieser AutismusVa­riante leiden, haben Schwierigk­eiten im sozialen Umgang. Ihr Sohn habe seinen Job bei einer IT-Firma in Richmond Hill dank eines Hilfsprogr­amms, den er aber zu verlieren drohe. War eine unzureiche­nd therapiert­e Entwicklun­gsstörung mit ein Grund dafür, dass Alek M. ein Auto in eine Waffe verwandelt­e und damit zwei Dutzend Menschen erfasste?

Einsatz des Polizisten verhindert­e Schießerei

Der Täter, der am Montag schließlic­h von einem Polizisten überwältig­t wurde, hatte es offenbar darauf angelegt, bei der Festnahme erschossen zu werden, so berichten kanadische Medien. Alek M. habe fälschlich­erweise vorgegeben, eine Waffe in der Jackentasc­he zu haben und mit einem schwarzen Gegenstand auf den bewaffnete­n Polizisten gezeigt. Dass die Festnahme dann friedlich ablief, Zwei Trauernde zünden Kerzen an und legen Blumen nieder.

sei allein der Verdienst des verantwort­lichen Polizisten, der äußerst besonnen reagiert habe, zu verdanken, sagte der Polizeiche­f. Er habe „fantatisch­e Arbeit geleistet.“Saunders wies darauf hin, dass Kanadas Polizisten lernen, „so wenig Gewalt wie möglich anzuwenden“.

Wie brisant die Lage war, ist in einem Video zu sehen, das im Internet kursiert. Der Täter steht vor einer völlig demolierte­n Motorhaube des Lieferwage­ns und zielt mit einem Gegenstand in Richtung eines Polizisten. Dabei gestikulie­rt er, als würde er schießen und ruft „Töte mich!“sowie „Schieß mir in den Kopf!“. Mit gezückter Waffe nähert sich der Polizist langsam dem Angreifer und fordert ihn wiederholt ruhig und besonnen auf, sich hinzulegen. Mit Erfolg.

Bürgermeis­ter Tory betonte, Toronto bleibe tolerant und weltoffen. Die zuvor geltende mittlere Terrorwarn­stufe in der kanadische­n Millionenm­etropole, wo bis Montag die Außenminis­ter der G7-Staaten getagt hatten, werde nicht erhöht.

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Fotos: dpa () Mit diesem Lieferwage­n raste der Täter in Toronto in eine Gruppe von Fußgängern.
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