Thüringische Landeszeitung (Jena)
„Weil man regelmäßig der Depp ist“
Der Fluch des Postens – Stadtentwicklungsdezernent blieb in Jena bisher keiner länger als sechs Jahre
JENA. „Darf man die SPD zur Wahl des Stadtentwicklungsdezernenten beglückwünschen oder hat sie sich bloß das schwierigste und undankbarste Dezernat andrehen lassen?“
So kommentierte gestern Rainer Mentel, der frühere SPDOrtsvereinsvorsitzende von Jena-Nord, die Wahl von Christian Gerlitz. Sehr fragend blickten auch mehrere Stadträte drein, als sie Gerlitz am Abend der Wahl die Hand schüttelten.
Denis Peisker, der im Februar 2019 sein Amt an den Neuen abgeben wird, kam auf die Historie des Postens zu sprechen, als er sich in der Stadtratssitzung am Mittwoch vor der Wahl noch einmal bewarb. Es gab in Jena noch keinen Stadtentwicklungsdezernenten, der länger als eine Wahlperiode im Amt war. „Warum werden Stadtentwicklungsdezernenten nie wieder gewählt?“, fragte Peisker in die Stadtratsrunde und gab sofort selbst die Antwort: „Weil man regelmäßig der Depp ist, wenn man diesen Job ernst nimmt.“Egal, was man als Dezernent tue, man lege sich immer mit der Hälfte der Bürger an. Doch in sechs Jahren habe er auch gelernt, wie man sensible Vorhaben in die Öffentlichkeit einbringen könne, ohne dass es einen Riesen-Aufschrei gebe in der Stadt. Dieser Wissensvorteil war für ihn kein Vorteil bei der anschließenden Wahl.
Martin Pfeiffer, der Fachdienstleister für Recht bei der Stadtverwaltung und ebenfalls Dezernenten-Bewerber, hatte eine andere Strategie, wie sich die Dinge beschleunigen lassen. Der Stadtentwicklungsausschuss, mithin das wichtigste vorberatende Fachgremium der Stadt, solle künftig häufiger hinter verschlossener Tür im „geschützten Raum“tagen. Denn wenn es am nächsten Tag in der Zeitung stehe, könnten bestimmte Sachen einfach nichts werden.
Christian Gerlitz, der neue Dezernent, sagte, dass er mit öffentlichen Debatten im Stadtentwicklungsausschuss keine Problem habe. Der Dialog mit den Bürgern müsse frühestmöglich und fair geführt werden. Diese Handlungsweise wolle Denis Peisker (Bündnis /Die Grünen. Foto: Michael Reichel
er durchsetzen. Dezernent Peisker sprach von seinen Mitarbeitern und dem guten Klima im Dezernat. Am Dienstag war das Team beim Jahresausflug in Booten auf der Saale unterwegs. Peiskers „sehr empathische, aber trotzdem lösungsorientierten Art der Mitarbeiterführung“wurde später im Internet von einer Mitarbeiterin gelobt.
Denis Peisker verließ nach der Abstimmungsniederlage den Stadtrat, obwohl die Sitzung weiterging. Er wurde später auf dem Fahrrad gesehen.
Im Netz gab es neben einigen Danksagungen an ihn durch Mitstreiter aus seiner eigenen Partei und aus der Verwaltung, auch derbe Worte. Und es wurde auch bei Facebook politisch. Linkspartei-Stadträtin Gudrun Lukin hatte eine andere Frage zu Christian Gerlitz als Rainer Mentel: Ist das „ein Dezernent auf Vorrat oder Machtsicherung der SPD vor der Kommunalwahl?“
Im Mai 2019 wird in Jena ein neuer Stadtrat gewählt.