Thüringische Landeszeitung (Jena)
Gastgeber Russland legt einen perfekten Start hin
Gruppe A: Nach dem 5:0 über SaudiArabien ist schon am Dienstag gegen Ägypten der Einzug ins Achtelfinale möglich
MOSKAU. Die Pressekonferenz nach Russlands 5:0 (2:0) über Saudi-Arabien lief bereits eine ganze Weile, als Stanislaw Tschertschessow kurz auf sein Mobiltelefon schaute und plötzlich ohne Erklärung das Podium verließ. Knapp vier Minuten später kehrte Russlands Cheftrainer gut gelaunt zurück. Wer der ominöse Anrufer nach dem höchsten WM-Auftaktsieg aller Zeiten war? „Unser Staatspräsident“, sagte der frühere Torhüter von Dynamo Dresden. „Er lässt schöne Grüße ausrichten und sagt, dass wir einfach so weiter machen sollen.“
Die Euphorie im Riesenreich ist mit dem Start auch an höchster Stelle entfacht. Ein erstes Fest gab es für die Fans bereits vor dem ersten Anpfiff der Weltmeisterschaft zu feiern. Knapp anderthalb Stunden vor dem Spiel eröffneten Spaniens früherer Nationaltorhüter Iker Casillas (schick) und das russische Topmodel Natalia Wodjanowa (sehr schick) dieses bunte Treiben namens Eröffnungsfeier.
Zunächst wurde der WMPokal ins Rund gebracht. Dann folgte der offizielle Teil der Zeremonie mit Superstar Robbie Williams und dessen Song „Let Me Entertain You“. Nach einer Viertelstunde waren es Fifa-Präsident Gianni Infantino und Russlands Präsident Wladimir Putin, die mit gewichtigen Worten die Weltbühne betraten. Putins erster Erfolg: Anders als Brasiliens Ex-Präsidentin Dilma Rousseff, die 2014 vor dem Eröffnungsspiel der Selecao gegen Kroatien (3:1) vom Publikum ausgepfiffen wurde, empfingen die russischen Zuschauer Papa Putin ehrfürchtig lauschend und applaudierend. Einen Tick lauter wurde es, als der argentinische Schiedsrichter Nestor Pitana um Punkt 18 Uhr Ortszeit das ziemlich bunte Vorgeplänkel beendete – und mit dem ersten Anpfiff dieser Weltmeisterschaft zum wesentlichen kam: Fußball.
Und anders als von vielen (insbesondere den meisten Russen) erwartet, präsentierte sich die Sbornaja in einer Form, die keinesfalls ein peinliches GruppenAus trotz übersichtlicher Stärke der Gegner befürchten lassen muss. „Zu alt und unerfahren – warum Russland zum Scheitern verurteilt ist“, hatte die Moscow Times am Eröffnungstag getitelt – und wurde bereits nach zwölf Spielminuten von Juri Gazinski eines Besseren belehrt.
Ähnlich einsam wie einst der Kosmonaut Juri Gagarin im All hob der Mittelfeldmann im saudischen Strafraum ab, blieb scheinbar schwerelos in der Luft stehen und köpfte zur Führung ein. 1:0 nach nicht einmal einer Viertelstunde – viel besser hätte dieser WM-Auftakt für den zuletzt so stark kritisierten Gastgeber nicht laufen können.
Unterbrochen wurde die von Putin so erhoffte Jubel-TrubelHeiterkeit-Stimmung nur kurz, als Mitte der ersten Halbzeit Offensiv-Allrounder Alan Dschagojew plötzlich wie vom Blitz getroffen zu Boden sackte. Der verdammte Oberschenkel, dieser verdammte. „Er hat eine Oberschenkelverletzung. Im schlimmsten Fall droht ihm das WM-Aus“, diagnostizierte Trainer Tschertschessow später.
Es war bereits kurz vor dem Halbzeitpfiff, als der eingewechselte Spanien-Legionär Denis Tscheryschew vom FC Villarreal die Saudi-Abwehr zur Verzweiflung trieb – und den Ball traumhaft oben links unter die Latte zum 2:0 drosch (43.).
Die Saudis, die die körperlich kleinste Mannschaft des Turniers stellen (Durchschnittsgröße: 1,77 Meter), werden spätestens im zweiten Gruppenspiel gegen Uruguay am Mittwoch über sich hinauswachsen müssen, wollen sie nicht direkt nach der Gruppenphase die Heimreise antreten.
Und Russland? Legte im zweiten Durchgang nach: durch den eingewechselten Artem Dschuiba, durch 2:0-Schütze Tscheryschew sowie durch Alexander Golowin. Nach dem 5:0-Sieg ist möglicherweise bereits am Dienstag (20 Uhr/ZDF) gegen Ägypten der vorzeitige Einzug ins Achtelfinale drin.
Erstes Tor nach zwölf Minuten