Thüringische Landeszeitung (Jena)
„Es wird keinen Schlussstrich geben“
Staatssekretärin Babette Winter: Aufarbeitung bleibt Kern des Regierungshandelns – RotheBeinlich: Gedenktag macht Mut, für den Erhalt der Demokratie zu streiten
ERFURT/UNTERWELLENBORN. Seit zwei Jahren ist der 17. Juni in Thüringen der offizielle Gedenktag für die Opfer des SEDUnrechts; und nun wird zum dritten Mal an das erinnert, was vor 65 Jahren nicht nur in OstBerlin, sondern auch in vielen Orten republikweit geschah. Bei vielen Thüringern herrschte in jenen Juni-Tagen Aufbruchsstimmung. Erwacht sei „ein Bürgerbewusstsein, das vorher kaum jemand für möglich gehalten hatte“, erklärt Astrid RotheBeinlich. Sie ist Sprecherin für Bildung und Aufarbeitung in der Thüringer Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Die Ereignisse, ruft sie in Erinnerung, konzentrierten sich „zwar vor allem auf die größeren Städte wie Jena, Gera, Mühlhausen, Sömmerda, Erfurt oder Weimar mit ihren Industriebetrieben. Zu Äußerungen von Protesten kam es aber in weit mehr Orten, auch deutlich kleineren,
in Betrieben, in Dörfern, in Versammlungen, Kneipen, Schulen und Bahnhöfen. Viele Beteiligte wurden inhaftiert und bestraft“, so Rothe-Beinlich mit Blick auf Frauen und Männer, die in der Industrie, in der Landwirtschaft oder im Handwerk arbeiteten, in den Kirchen oder in den Gewerkschaften engagiert waren, aber auch Schülerinnen und Schüler sowie
Staatsbedienstete. Rothe-Beinlich betont: Der 17. Juni sei Anlass, der Opfer, der Toten und Verhafteten zu gedenken, die mit Panzern der roten Armee im wahrsten Sinne niedergewalzt worden seien. Zugleich stelle der 17. Juni – mit dem Blick von heute – den ersten hart erkämpften Schritt auf dem Weg zur Beendigung der SED-Diktatur im Osten Deutschlands dar. Diesen Gedenktag gelte es erfahrbar zu machen: „Angebote der politischen Bildung gehören für uns ebenso dazu wie die Stärkung der Aufarbeitungslandschaft und der vielen oft ehrenamtlich tätigen Aufarbeitungsinitiativen.“Zentraler Meilenstein sei die Ausweisung des ehemaligen Todesstreifens entlang der damaligen Grenze als Naturmonument Grünes Band, so RotheBeinlich weiter. „Der Aufstand des 17. Juni mahnt uns bis heute, jeden Tag für den Erhalt der Demokratie zu streiten und von unseren demokratischen Rechten Gebrauch zu machen, die einst mutig und hart erkämpft wurden. Er zeigt aber auch: Der Kampf lohnt sich. Dazu braucht es das Erinnern für die Zukunft“, so die Grüne.
Am Freitag gab es bereits im Industriedenkmal Gasmaschinenzentrale in Unterwellenborn eine Gedenkveranstaltung, bei der die für die Aufarbeitung von SED-Unrecht zuständige Staatssekretärin Babette Winter (SPD) als Vertreterin der Landesregierung erklärte, „am 17. Juni 1953 haben die Menschen in der DDR gezeigt, dass es eine Freiheitsbewegung gegen Gewaltherrschaft
gibt. Sie sind für Freiheit, Demokratie und die deutsche Einheit auf die Straße gegangen und haben ihr Leben riskiert oder gar verloren“. Daher werde der Opfer staatlicher Willkür gedacht und an die mehr als eine Million mutigen Frauen und Männer erinnert, „die sich vor 65 Jahren an mehr als 700 Orten in der DDR gegen den SED-Staat erhoben“.
Mit der Vollendung der friedlichen Revolution und dem Sturz der SED-Diktatur im Herbst 1989 sei das Vermächtnis der Freiheitskämpfer vom
17. Juni 1953 erfüllt worden. Der
30. Jahrestag des Mauerfalls im kommenden Jahr werde Triebfeder sein, die Aufarbeitung der Diktatur der SED konsequent fortzusetzen. „Auch 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs kann und wird es keinen Schlussstrich darunter geben“, so Staatssekretärin Winter mit Blick auf die rot-rot-grüne Regierung. (ger)
„Die Ausweisung des ehemaligen Todesstreifens in Thüringen als Naturmonument Grünes Band ist ein zentrales Anliegen.“
Astrid RotheBeinlich, Grüne
„Der 17. Juni 1953 ist auch der Vorläufer der SolidarnoczBewegung und Wegbereiter der Friedlichen Revolution gewesen.“
Babette Winter, Kulturstaatssekretärin