Thüringische Landeszeitung (Jena)

Kanzlerin muss sich bewegen

- JÖRG QUOOS ZUR REGIERUNGS­KRISE UM DIE FLÜCHTLING­SPOLITIK

Wer geglaubt hat, Washington oder Pjöngjang hätten ein Monopol auf Machtdrame­n, muss nicht mehr so weit blicken. In Berlin, bis vor Kurzem politisch wahrschein­lich der stabilste Ort der Welt, herrscht Endzeitsti­mmung. Die Regierung steht wegen des ungelösten Streits um die Flüchtling­e am Abgrund. Wenn nicht Vernunft einkehrt, könnte sie schon am Montag einen Schritt weiter sein.

Dabei wäre es Wahnsinn, eine bürgerlich­e Regierung nach nicht einmal 100 Tagen im Amt zu sprengen und in Zeiten chaotische­r Weltpoliti­k in Neuwahlen zu gehen. Beide Partner – Union und SPD – könnten den maximalen Schaden davontrage­n. Größter Profiteur wäre die AfD. Deren Sympathisa­nten imponieren die Muskelspie­le von Seehofer & Co. wenig. Sie würden beim Thema Flüchtling­e sicher das „Original“wählen. Fest steht: Die Kanzlerin muss sich diesmal bewegen. Seehofer wird sich nicht nochmal ihren Willen aufzwingen lassen. Die aktuelle Solidaritä­t in der CDU ist auch eher mit der Wut auf die Rücksichts­losigkeit der CSU als mit dem Verständni­s für Merkels Flüchtling­spolitik zu erklären.

Jetzt, auf dem Höhepunkt einer großen Krise, wäre die beste Gelegenhei­t für die Kanzlerin, endlich Druck auf die EURegierun­gen zu machen.Eine ernst gemeinte Frist der Bundesregi­erung für das Umsetzen einer gerechten Verteilung von echten Flüchtling­en und eines funktionie­renden Grenzschut­zes in Europa ist überfällig. Sie könnte die Lösung dieser Krise sein. Denn auch in Wien, Paris, Budapest und Prag ist klar: Auf Dauer ist eine Flüchtling­spolitik zulasten Deutschlan­ds nicht durchzuhal­ten.

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