Thüringische Landeszeitung (Jena)
Laut gegen Rassismus
Der Zivilcouragepreis 2018 geht an eine Jenaerin, die bei einem fremdenfeindlichen Angriff mutig handelte
JENA. Im Juli 2017 wurde Stephanie Hiebsch Zeugin eines Übergriffs in Winzerla. Menschen gerieten in Streit. Flaschen und andere Gegenstände wurden zu Wurfgeschossen. Fremdenfeindliche Parolen waren zu hören. Stephanie Hiebsch blieb nicht nur Zeugin des Geschehens, sie schritt ein, widersprach den aggressiven Tätern und verständigte die Polizei. Für ihr mutiges Handeln erhielt sie am Freitag den „Jenaer Preis für Zivilcourage“.
Winzerla gegen Rassismus vereinen
„Ich erhalte einen Preis für ein Vorgehen, das für mich selbstverständlich ist“, sagt Stephanie Hiebsch bescheiden aber bestimmt. So zu handeln, wie sie es tat, solle für alle Menschen zur Normalität werden. Entscheidend war, dass sie sich um Öffentlichkeit bemühte angesichts von Unrecht, das in ihrer unmittelbaren Nähe geschah.
Am Abend des Angriffs in Winzerla beobachtete sie Streit, erkannte die Angreifer als Anhänger der rechtsextremen Szene. In ihrer Not hätten ausländische Bewohner die Polizei gerufen. Als die schließlich eintraf, erteilte sie Platzverweise. Danach seien einige der Beteiligten in den Straßen Patrouille gelaufen. Am nächsten Morgen prangten Hakenkreuze an einem Wohnhaus, dazu Sätze wie „Wohnraum für Deutsche“.
Das Geschehene ließ Stephanie Hiebsch nicht los. Sie wollte die Anfeindungen, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft alltäglich ertragen müssen, zum Thema machen. Darum brachte sie das Thema in die Netzwerkrunde des Stadtteilbüros Winzerla ein. Dort fand sie Anklang: Für Winzerla erstellte die Runde ein neues Leitbild.
„Wir wollen mit einer Stimme gegen Rassismus sprechen“, sagt Markus Meß vom Stadtteilbüro Winzerla, der am Abend der Preisverleihung die Laudatio auf Stephanie Hiebsch hält.
Auch Christian Grötsch ist von der Zivilcourage der Preisträgerin beeindruckt. Er ist Firmengründer der Digitalagentur Dotsource, die den mit 1000 Euro dotierten Zivilcouragepreis in diesem Jahr stiftet. „Als Unternehmer habe ich wirtschaftliches Interesse daran, dass Jena lebenswert bleibt, und dafür müssen wir eine offene Gesellschaft gewährleisten.“
Zusammen mit dem Jenaer Preis für Zivilcourage wurde am Freitag auch der Charlotte-Figulla-Preis verliehen. Der thüringenweite Schüler- und Jugendwettbewerb stand 2018 unter dem Motto „Gutmensch, na und?“. Preisträger ist die Klasse 10a des Ernst-Abbe-Gymnasiums Jena für ihre Textsammlung „Gutmensch!“. Auch Laura Gieß aus Eisenach gewinnt den Figulla-Preis. Sie demonstrierte in ihrer Radiosendung „Mach ma lauter“im Wartburgradio, dass nichts schlecht daran ist, ein guter Mensch zu sein.
Schröter: „Jena hat eine starke Zivilgesellschaft“
Der Schülerrat des Leuchtenburggymnasiums Kahla fertigte in dessen Schulhaus eine Installation zum Thema Gutmensch. Im Treppenhaus zu sehen sind Friedensaktivistin Clara Zetkin, Bürgerrechtler Martin Luther King, aber auch die junge Amerikanerin Emma Gonzalez, die sich für ein Ende der Waffengewalt einsetzt und die Mutter einer Schülerin, die auf einer Krebsstation arbeitet. Vierter Preisträger ist eine Klasse der Karl-Volkmar-Stoyschule Jena für ihre Zukunftszeitung „Gut Mensch!“Die vier Figulla-Preisträger erhielten ein Preisgeld von jeweils 250 Euro.
„Jena hat eine starke Zivilgesellschaft“, lobt Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) die Preisträger. „Wer mit Zivilcourage handelt, ist ein Gutmensch und verdient Aufmerksamkeit.“