Thüringische Landeszeitung (Jena)
Der Wähler ist neugierig
Über den schweren Weg der SPD
Wie dünn der Firnis der politischen Kultur ist, beweisen soziale Medien immer wieder: Die Häme wurde kübelweise vergossen, als der grüne Stadtdezernent Denis Peisker abgewählt wurde. Und dass Claudia Nissen
Roth trotz ihrer eher provinziellen Vorstellung deutlich mehr Stimmen bekam, besiegelte sein ganz persönliches Waterloo. Das Zweckbündnis aus CDU, SPD und FDP funktionierte an diesem Tag und bescherte dem designierten Oberbürgermeister einen ersten Erfolg: Um gestalten zu können, ist Thomas Nitzsche auf eine Mehrheit angewiesen. Und Jenas SPD half ihm dabei. Noch vor wenigen Wochen erlebten die Sozialdemokraten mit der Abwahl Albrecht Schröters ihr Waterloo, jetzt werden sie immerhin den Bürgermeister stellen. Das hat fast bundespolitische Raffinesse, konnte man sich doch auch dort nach dem Debakel in die Regierungsverantwortung retten. Die Menschen goutieren das nicht, wie Umfrageergebnisse belegen.
Dass vor Jenas SPD ein schwieriger Weg liegt, ist auch klar: Sie muss bis zur Kommunalwahl beweisen, dass es ihr nicht nur um den Machterhalt geht, sondern dass sie auch einen Politikwechsel vollziehen kann: Das erwarten die Menschen, die mit großer Mehrheit einen neuen Oberbürgermeister gewählt haben und eine neue Politik wollten.
Die SPD ist tatsächlich das Zünglein an der Waage. Mit ihr hätten die Linken und die Bündnisgrünen auch eine Mehrheit im Stadtrat, ein lokales R2G; man hätte Denis Peisker behalten und Katharina KönigPreuss wählen können, die eine sehr gute Bewerbung im Stadtrat abgab: Auf den Punkt fachlich fundiert, souverän und dennoch vergebens angesichts zementierter Mehrheiten, was der fraktionslose Stadtrat Jürgen Haschke treffend erklärte: Man rede wie vor eine Wand, von der eher der Putz abfalle, als dass hier jemand von seiner Meinung abrücken würde.
Die SPD will weiterhin mit allen reden, was zweierlei bedeuten kann: Sie steht für eine neue Kultur in der Politik. Oder sie will sich opportunistisch alle Optionen offen halten. Der Wähler ist neugierig.