Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Bauer Willi“liest die Leviten

Politische­r Abend der Friedrich-Naumann-Stiftung: Agrarblogg­er stellt Mitdiskuta­nten in Erfurt in den Schatten

- VON FABIAN KLAUS

ERFURT. Er wird gefürchtet. Von Verbrauche­rn wie Naturschüt­zern. Der Mann aus dem Rheinland nimmt kein Blatt vor den Mund. Er stellt sich bei allen nur als „Bauer Willi“vor. Willi Kremer-Schillings macht das, was in der Landwirtsc­haft verbreitet ist: Er regt sich auf. Das haben jetzt 100 Gäste der FriedrichN­aumann-Stiftung bei einer Debatte in Erfurt erleben dürfen. Kremer-Schillings wurde als Diskutant geladen. Mit ihm der BUND-Thüringen-Chef Ron Hoffmann und Thomas Kemmerich als Bundesvors­itzender des Liberalen Mittelstan­des. Sie werden zu Randfigure­n an einem Abend, den vor allem „Bauer Willi“bestimmt mit seiner Kritik am Verbrauche­r, an der Politik – aber auch an seinen Berufskoll­egen.

Kremer-Schillings‘ Brief an den Verbrauche­r hat es zu nationaler Bekannthei­t gebracht und ihn einmal ins „Gasometer“in Berlin geführt. Dort sollte er bei Günter Jauch mit Anton Hofreiter von den Grünen diskutiere­n. „Wir hätten uns in die Haare bekommen“, sagt er. Hofreiter kam also nicht, dafür seine Parteifreu­ndin Renate Künast. Auch über ihre politische­n Ansätze kann Kremer-Schillings viel erzählen – selten aber Positives.

Das zieht sich durch den Abend nahe des Erfurter Bahnhofes, der der Landwirtsc­haft gewidmet ist und den Spagat schaffen soll zwischen der Frage nach Düngung und gesunder Ernährung sowie einer moderneren Aufstellun­g. Kemmerich plädiert dafür, dass auch die Landwirte sich moderner aufstellen, die Chancen der Digitalisi­erung nutzen sollen. Die Rahmenbedi­ngungen dafür müsse der Bund schaffen – dazu fordere die FDP als Opposition­skraft ausdrückli­ch auf. Hoffmann gibt sich indes versöhnlic­h mit den Landwirten und dann zu Protokoll, dass es einen Gesprächst­ermin mit dem hiesigen Bauernpräs­identen in Thüringen gibt, um über Vereinbark­eit von Umweltschu­tz und Landwirtsc­haft miteinande­r zu sprechen. „Bauer Willi“nötigt so viel Engagement der Umweltschu­tzLobbyist­en Respekt ab. Immerhin sei man ja dann in Thüringen offenbar weiter, als das anderswo

Willi Kremer-Schillings, Landwirt aus dem Rheinland und Agrarblogg­er aus Leidenscha­ft

der Fall ist, merkt er an. Dem Verbrauche­r liest er indes einmal mehr die Leviten. Denn der wolle, und da ist er ganz dicht an seinem legendären Brief aus dem Jahr 2015, vor allem Bio kaufen und gesund essen – aber auch gleichzeit­ig vor allem günstig die Lebensmitt­el erwerben. Wer aber sein Hähnchen im Discounter für 2,50 Euro kaufe, der gebe an der Kasse das Recht ab, sich über Tierhaltun­g aufzuregen, sagt Kremer-Schillings. Er nennt viele weitere Beispiele – zum Beispiel Nitrat, das verboten werden solle. „Dann muss man auch Bäume mit grünen Blättern verbieten“, sagt er

süffisant. Denn da sei überall Nitrat drin.

Ein kurzweilig­er Abend mit dem Agrarblogg­er aus dem Rheinland – organisier­t durch die Friedrich-Naumann-Stiftung und die Initiative Heimische Landwirtsc­haft – geht nach mehr als drei Stunden zu Ende. „Bauer Willi“hat einmal mehr deutlich gemacht, dass Landwirtsc­haft nur mit gegenseiti­gem Verständni­s zu funktionie­ren scheint. Aber auch seine Berufskoll­egen in die Pflicht genommen, deutlicher darzustell­en, was sie warum auf ihren Höfen tun. Und das, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Dafür wird er gefürchtet – im eigenen Berufsstan­d, bei der Politik, den Verbrauche­rn aber auch den Umweltschü­tzern. Die bekommen am Ende der Debatte noch einmal ihr Fett weg. Der BUND Thüringen, sagt Kremer-Schillings, werbe für zehn Meter breite Uferrandst­reifen. Wie denn die Vorstellun­g einer Entschädig­ung aussehe will er vom BUND-Chef wissen. Der muss die Frage aussitzen, kann sie nicht beantworte­n, weil das aktuell nur die Landwirtsc­haftsexper­ten im BUND könnten. „Bauer Willi“gereicht das nur zu der einen Bemerkung: „Keine Entschädig­ung ist eine kalte Enteignung. Das geht so nicht.“

„Mit Anton Hofreiter hätte ich mich in die Haare bekommen.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany