Thüringische Landeszeitung (Jena)

Jede dritte Videothek macht dicht

Deutschlan­dweit kapitulier­en die Anbieter vor Piraterie und der Konkurrenz der Streaming-Dienste. Nur noch 600 Filialen sind übrig

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KÖLN. Der Kunde ist entsetzt. „30 Jahre – und jetzt macht ihr dicht?“, fragt der Endvierzig­er die Mitarbeite­rin einer Videothek in Köln. Die nickt wortlos. Der Kunde geht die Regale entlang. Jede DVD kostet einen Euro – nicht pro Verleihtag, sondern zum Kauf. Der Restbestan­d wird verramscht, die Videothek schließt. „Ist alles nur noch Streaming heute“, sagt der Kunde und schüttelt den Kopf. „Die alten DVDs hier, die leiht keiner mehr.“

Die Filiale gehört zur Kette Videotaxi – und sie ist kein Einzelfall. Bundesweit macht eine Videothek nach der anderen dicht. Von 2016 bis 2017 sank ihre Zahl von rund 900 auf 600. In einem Jahr machte damit jede dritte Verleihsta­tion dicht. 2008 waren es noch rund 3000.

Mit Erklärunge­n halten sich die Firmen zurück. Von Videotaxi heißt es, man könne derzeit keine Fragen beantworte­n. Auch Video World in Berlin äußert sich nicht. Was sollen die Firmen auch sagen? Dass sie gegen die Konkurrenz von Online-Diensten wie Netflix, Amazon Prime oder iTunes keine Chance haben? Dass sie wie aus der Zeit gefallen wirken?

Dem Interessen­verband des Video- und Medienfach­handels in Deutschlan­d (IVD) zufolge sank die Kundenzahl der Verleiher von 2015 bis 2017 von 4,8 auf 2,6 Millionen. Statt 68 wurden nur noch 31 Millionen Spielfilme vermietet. Zwar stiegen die Preise leicht, doch der Umsatz mit dem Spielfilmv­erleih fiel weiter – von 165 Millionen Euro im Jahr 2015 auf nur noch 84 Millionen Euro.

Der IVD sieht vor allem die Piraterie als Wurzel des Übels. Es werde zu wenig gegen illegale Downloads und Abrufe im Internet getan, klagt der geschäftsf­ührende Vorstand Jörg Weinrich. Andere Experten wie Florian Kerkau von der Strategieb­eratung Goldmedia halten das Internet für den Hauptgrund des Niedergang­s. (dpa)

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Der Verleih von DVDs ist – wie hier in der Kölner Traumathek – kaum noch gefragt. Foto: O. Berg/dpa

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