Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Fachkräfte­mangel ist keine Modeersche­inung“

TLZ präsentier­t Unternehme­rinnen-Salon in Weimar: Colette Boos-John führt erfolgreic­h das Bauunterne­hmen Bauer

- VON GERLINDE SOMMER

WEIMAR. Colette Boos-John, die das Bauer Bauunterne­hmen in Walschlebe­n bei Erfurt leitet, ist Gast beim nächsten Unternehme­rinnen-Salon am Mittwoch, 14. November, in Weimar.

Wer aufhört, besser zu sein, hat aufgehört, gut zu sein: Das ist Ihr Motto beim Bauer Bauunterne­hmen. Was bedeutet das konkret? Beharren wir auf „Weiter so“, verlieren wir die Chance der Zukunftsge­staltung. Dies bezieht sich von effektiver­en Bauprozess­en bis hin zur Personalen­twicklung. Sich als agiles Unternehme­n in einer traditione­llen Branche zu behaupten heißt, das größte Augenmerk auf den Faktor Mensch zu richten. Ihn bei diesen Wandlungsp­rozessen mitzunehme­n, ist oft die größte Herausford­erung. Da wo wir für die langfristi­ge, gesunde Existenz unseres Unternehme­ns Chancen sehen, geht es aktuell vor allem auch um die Digitalisi­erung der Wertschöpf­ungskette Bau. Die stetige Weiterentw­icklung unserer Mitarbeite­r im Fachbereic­h, aber auch bei den Soft Skills ist uns wichtig. Deswegen haben wir bereits seit langem eine Akademie, die die Personalen­twicklung und Weiterbild­ung im Unternehme­n vorantreib­t.

Alle klagen über Nachwuchsu­nd Fachkräfte­mangel. Was tun Sie in Ihrem Unternehme­n ganz konkret, damit Ihnen weder Berufsnach­wuchs noch qualifizie­rte Beschäftig­te fehlen? Fachkräfte­mangel ist keine Modeersche­inung.

Wir haben seit Gründung sehr hohe Azubiquote­n und bilden derzeit 31 Azubis aus. Wir halten überhaupt nichts davon, mit ganz speziellen finanziell­en Anreizen Azubis zu werben. Denn: Monetäre Lockmittel sind oft nur von kurzer Dauer. Wichtig ist uns, dass der Mitarbeite­r seinen Stärken und Schwächen entspreche­nd eingesetzt wird und sich mit dem

identifizi­ert, was er tut. Wenn wir es schaffen, junge Leute für die Berufe, in denen sie lernen, zu begeistern, ist der Grundstein gelegt. Wichtig ist uns auch, dass sich der Mitarbeite­r im Team wohl fühlt und sich mit einbringen kann. Ich unterstütz­e die Kampagne „same here“und „Macht eure Kinder stark“der IHK, damit die Lehre als Chance besser ins Blickfeld rückt.

Wo sehen Sie die großen Herausford­erungen in Ihrem Betrieb in den kommenden Jahren abseits der Personalge­winnung?

Die Digitalisi­erung ist schon ein sehr dickes Brett, das es zu durchbohre­n gilt. Hier zeigt sich, wie unterentwi­ckelt und zu bürokratis­ch Deutschlan­d ist. Dadurch, dass unser Unternehme­n zu fast 90 Prozent für die öffentlich­e Hand arbeitet, haben wir dafür eine Vielzahl von Beispielen. Wir erkennen dort nicht wirklich Strategien von der Vision bis hin zum Roll-out. Das hemmt uns in der Weiterentw­icklung, da wir alle nur Insellösun­gen auf dem Digitalpfa­d entwickeln. Zu viele Soll-Bruchstell­en und Insellösun­gen machen diese Entwicklun­gen unprodukti­v. Vor allem hinsichtli­ch des Datenausta­uschs wäre so viel mehr möglich.

Wenn Sie beruflich einen Wunsch frei hätten, was würden Sie gerne verändern?

Ich persönlich nehme mit Sorge wahr, dass sich eine enorme Entscheidu­ngsverkrus­tung entwickelt hat. Weniger ist mehr und schafft Raum zu Entscheidu­ngen. Ich wünsche mir mehr „Macher“, die den Mut und den Willen zu notwendige­n, aber oft unpopuläre­n Entscheidu­ngen haben und dazu stehen. Sicher ist es angenehm, wenn alles gut geordnet ist, es darf aber nicht dazu führen, dass nur noch Bedenkentr­äger an den Entscheidu­ngsstellen sitzen und wir uns gegenseiti­g lähmen. Schön wäre mehr Projektarb­eit und die Einbeziehu­ng von best practise. Auch wünsche ich mir sehr, dass ein gewisser politische­r Pragmatism­us einkehrt, der den Zyklus einer Wahlperiod­e außer acht lässt. Und dann ist da noch der Wunsch, dass wir alle tiefer Informatio­nen prüfen: Fakten contra Fake News.

„Als Familienun­ternehmen achten wir auf langfristi­ge Zusammenar­beit. Job-Normaden werden von uns daher ungern unterstütz­t.“Colette Boos-John, Bauer Bauunterne­hmen

• Unternehme­rinnensalo­n, Mittwoch, . November,  Uhr. Eintritt frei. Die Veranstalt­ung ist eine Kooperatio­n mit VdU Thüringen, Toskanawor­ld, TLZ und VCH-Hotel Amalienhof

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