Thüringische Landeszeitung (Jena)
Beten und arbeiten
Ein Gebetsteppich in meinem Arbeitszimmer. Daneben ein voller Schreibtisch. Das Telefon. Jetzt sitze ich am PC. Ein Zettel liegt neben mir, handgeschrieben. Ansonsten lese ich ihn morgens auf meinem Teppich:
„Ich überlasse mich dir, Herr. Alles lasse ich jetzt. Meinen Willen in deinen Willen.
Meine Gedanken in deine. Meine Pläne überlasse ich dir. Meine Sorgen um andere Menschen.
Die Angst vor der Übermacht der anderen.
Und das Wissen um eigenes Versagen überlasse ich dir. Die ungelösten Fragen. Die Mühe mit mir selbst. Alle verkrampften Hoffnungen.
Ich gebe es auf gegen verschlossene Türen zu rennen, und warte auf dich.
DU wirst sie öffnen. AMEN“
Durchatmen. Und jetzt wieder der Schreibtisch. Ein Anruf. Der junge Mann kann operiert werden. Sein Visum wird verlängert. Wie gut. Freude über viel Menschlichkeit...
Jetzt Vorbereitung der Ökumenischen Friedensdekade. Zehn Tage Friedensgebete und Veranstaltungen. Telefonieren. Emails.
Nachdenken. „Krieg 3.0“ist das Thema in diesem Jahr. Reden wir den 3. Weltkrieg herbei oder ist er nicht schon längst da, wie Papst Franziskus sagt? Im Cyber- Modus? Und den vielen Einsätzen, in denen die NATO vertreten ist? Aufstehen für den Frieden.
Seit 200 Jahren sind gewaltfreie Konfliktlösungen immer nachhaltiger gewesen, als militärische Einsätze.
Heute und morgen Menschen ermutigen, den Hass fließen zu lassen, Kerzen anzuzünden, sie zehn Tage auf die Fensterbretter zu stellen. Zeichen der Kraft. Oder einladen, eine rote Mohnblume zu tragen: Erinnerungen an das Kriegsende vor einhundert Jahren und zum Gedenken der Opfer aller Kriege bis heute. Den Sonntagsgottesdienst in Lobeda mit jungen Menschen vorbereiten...
Beten und arbeiten und lieben und loslassen.
Ein guter Rhythmus für mich: Mit dem Zettel für einen Moment alles ablegen. Und dann das schwere Gepäck wieder aufnehmen.
Irgendwie trägt es sich leichter.