Thüringische Landeszeitung (Jena)
Huckepack auf derBurgenstraße
Auf der Reiseroute kann man in Geschichte und Geschichten Süddeutschlands eintauchen. Gerade der Abschnitt von Öhringen nach Schwetzingen hält manche Überraschung bereit
Wir schlendern durch den Hofgarten auf den Spuren des Grafen Johann Friedrich II. von Hohenlohe- Neuenstein, der ihn Anfang des 18. Jahrhunderts anlegte. Eingerahmt von Stiftskirche, Schloss und Fachwerk-Ensemble des Marktplatzes geht es Richtung Fußgängerzone, wo es wieder lebhafter wird. Öhringen, das fränkisch geprägte Städtchen in Baden-Württemberg, ist nur eine Station an der Burgenstraße, die quer durch Süddeutschland von Mannheim bis nach Bayreuth führt, gepflastert mit 70 Burgen und Schlössern. Wer nicht wochenlang unterwegs sein möchte, wählt einen Abschnitt – von Öhringen nach Schwetzingen etwa.
Ein Ort, der das Herz berührt
Am nächsten Tag geht es weiter über sanfte Hügel unter blauem Himmel Richtung Weinsberg. Der Ort ist vor allem durch eine ungewöhnliche Geschichte bekannt geworden: Im Mittelalter haben hier die Burgfrauen ihre Männer huckepack getragen. „Aus Liebe“, sagt Burgführerin Margarete Drautz und erklärt: „Als 1140 die Truppen von König Konrad III. die Festung eroberten, gewährten die Eroberer den Frauen freies Geleit, während die männlichen Verteidiger der Burg hingerichtet werden sollten. Mitnehmen konnten die Weinsbergerinnen nur so viel, wie sie mit ihren Händen tragen konnten. Und so schleppten die Frauen ihre Liebsten auf dem Rücken aus der Reichsburg den Berg hinab.“Darum bekam das imposante Gemäuer, das zu den ältesten Hochadelsburgen in Deutschland zählt, im 18. Jahrhundert den Namen „Weibertreu“.
Bad Wimpfen mit seiner mittelalterlichen Stauferpfalz hoch über dem Neckar, nur 20 Kilometer weiter entlang der Burgenstraße, ist auch so ein Ort, der das Herz berührt. Hier, in der späteren Reichsstadt, wurde Hof gehalten und Recht gesprochen. Und inmitten des Burgviertels mit seinen hübschen Fachwerkhäusern überragt der 58 Meter hohe Blaue Turm den kleinen Kurort. Als westlicher Bergfried wurde er errichtet und diente bis ins frühe 20. Jahrhundert als Wachturm.
Auf dem Weg zur Vierburgenstadt Neckarsteinach im Neckartal empfiehlt sich ein Zwischenstopp auf Burg Guttenberg in HaßmersheimNeckarmühlbach, der früheren Burg der Staufer. Dort residiert die Familie der Freiherren von Gemmingen- Guttenberg in der 17. Generation im mittelalterlichen Anwesen, das nie zerstört worden ist. Seit 1970 ist die Deutsche Greifenwarte hier untergebracht, und Besucher aus aller Welt bestaunen die Flugvorführungen frei fliegender Adler, Geier und Eulen.
Wäre im ehemaligen Burgweiler Neckarsteinach nicht der Autoverkehr auf der schmalen Talstraße inmitten von Fachwerkhäusern so dominant, könnte man meinen, einer der vier Burgherren käme zur Rechten auf einem Schimmel den Berg heruntergeritten. Dabei liegen die vier alten Gemäuer – die Vorderburg, Mittelburg, Hinterburg und Schadeck, genannt Schwalbennest – so dicht beieinander, dass man sich in früheren Zeiten die neuesten Nachrichten bestimmt direkt zurufen konnte.
Moschee als Zeichen der Toleranz
Nach einer Woche ist schließlich Schwetzingen erreicht, das rund zehn Kilometer westlich von Heidelberg liegt. Dominiert wird das Städtchen vom Schloss, der ehemaligen Sommerresidenz der pfälzischen Kurfürsten. Ein imposanter Bau mit einem großzügig angelegten Garten, in dem früher sogar gejagt wurde. Weit hinten, etwas versteckt, überrascht eine riesige Moschee, die aber kein islamisches Gotteshaus ist, sondern Toleranz gegenüber allen Religionen und Kulturen der Welt Ausdruck verleihen sollte. Zurück am Zirkelbau des Schlosses beschließt im dortigen Café ein Glas Prosecco das Finale der Burgentour.