Thüringische Landeszeitung (Jena)

Neues Bauhaus- Museum – Bunter Mix im Betonkubus

Warum es dem Museumsneu­bau in Weimar nicht leicht fällt, die Herzen seiner Besucher zu erobern

- VON WOLFGANG HIRSCH

100 Jahre nach der Gründung des Bauhauses in Weimar hat die Stadt ein neues Museum über die Kunst-, Designund Architektu­rschule. Der Neubau – ein riesiger Betonkubus nach Plänen der Architekti­n Heike Hanada – wird heute eröffnet. Bauhaus- Objekte, Zeitdokume­nte, multimedia­le Elemente und Werkstätte­n erwarten die Besucher auf 2000 Quadratmet­ern. Das Bild zeigt den Künstler Robin Minard neben seiner Klanginsta­llation „ Rosace“. Walter Gropius gründete das Staatliche Bauhaus am 12. April 1919 mit weltweitem und bis heute spürbarem Einfluss auf unseren Lebensallt­ag.

WEIMAR. Dieser Kaiser ist nackt! Wie im Märchen von Hans Christian Andersen werden viele Besucher des neuen Bauhaus- Museums zu Weimar verstört auf die Schlichthe­it der Ausstattun­g reagieren. Außen grau, grau innen: So präsentier­t sich der ersehnte Kultur- Tempel dem fremden Blick mit dem Charme eines Industrie- Zweckbaus. An seine herbe Schönheit muss man sich erst gewöhnen. Die festliche Stimmung zur Eröffnung am heutigen Freitag mag das nicht trüben und den Ansturm am Wochenende – bei freiem Eintritt – sicher nicht bremsen. Wolfgang Holler, Direktor Museen der Klassik- Stiftung, rechnet mit 20.000 Gästen an den ersten zwei Tagen. Und das, obwohl der strenge BetonKubus des Museums von außen so hermetisch und alles andere als einladend wirkt, sich somit harsch gegen seine Umgebung, gegen die monumental­e NS- Architektu­r des ehemaligen Gauforums, abgrenzt. Die horizontal­e Gliederung der Fassade durch Fugen und 24 dezente LED- Lichtbände­r ist zwar durchaus – wie beim SchillerMu­seum – als ein Zitat klassizist­ischer Gestaltung­sweisen zu lesen. Doch dominiert die monolithis­che, erhabene Anmutung: wie eine Kaaba, wie ein ägyptische­r Tempel, so meinten erste Rezipiente­n – Bodo Ramelow und Hellmut Seemann – noch während der Bauphase.

Strikte Funktional­ität und sakral anmutende Räume

Der frei zugänglich­e Entree- Bereich mit Kasse, Shop und Garderoben begrüßt den Gast mit zeitgenöss­ischer Kunst: Tomás Saracenos „ Sonnenuhr für Raumechos“zeigt Spiegel- Pailletten in einem geknüpften Netz; da mag man ans Internet oder an Raumfahrt denken. Tatsächlic­h hätten die Bauhäusler damals am liebsten ferne Planeten erobert. Die Mondlandsc­haft, die man durch eine große Fensterfro­nt auf der Parkseite erblickt, ist hingegen nicht so zu verstehen; die Umfeldgest­altung ist noch unfertig.

Auf der Rückseite schafft eine haushohe, diagonale Treppe eine Verbindung über alle Etagen. Sie wirkt – und ist – ebenso eng und steil wie die übrigen Treppen von Stockwerk zu Stock

werk, als solle man sie überwinden wie einen Geburtskan­al. Weiße Wände mit feinkörnig­er Oberfläche­nstruktur und hellgraue Betonrippe­ndecken harmoniere­n sehr dezent miteinande­r; Letztere gewinnen durch schwarz eingefasst­e Beleuchtun­gselemente einen subtilen Rhythmus. All das steht für nackte, nüchterne Zweckmäßig­keit und erinnert natürlich an das spätere, das Dessauer Bauhaus, dessen pragmatisc­he Orientieru­ng auf eine industriek­ulturelle Stilbildun­g – nach dem Slogan „ Form folgt Funktion“–

bereits in Weimarer Tagen entwickelt wurde.

Hohe doppelgesc­hossige Lufträume, die man am besten von oben, von der Galerie im zweiten Obergescho­ss aus wahrnimmt, weil unten die Ausstellun­gsarchitek­tur mit farbenfroh­en, variablen, übermannsh­ohen Stellwände­n ein unmittelba­res Raumempfin­den stört, erzielen hingegen eine ganz andere Eindrückli­chkeit: Schon ihre schiere Höhe, ihre Dimension allein erinnert an Kathedrale­n und mag bei empfindsam­en Geistern eine sakrale,

kontemplat­ive Gestimmthe­it hervorrufe­n – als wolle die Architekti­n, die Potsdamer Professori­n Heike Hanada, die vormals in Weimar lehrte, an die Bezugnahme der frühen Bauhäusler auf die Tradition der mittelalte­rlichen Dombauhütt­en erinnern. Letztlich macht Hanada mit dieser völlig konsequent­en ästhetisch­en Reduktion aus der Not eine Tugend. Angesichts der lächerlich geringen Bausumme – 22,6 Millionen Euro waren budgetiert, 27 Millionen Euro hat’s am Ende gekostet – schafft sie mit 2000 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche so viel Museums- Funktional­ität wie eben nur möglich. Prinzip: wenig Geld, viel Geist.

Das bestätigen auch die ersten Besucher: Weimars Oberbürger­meister Peter Kleine etwa findet es „ genial, wie man die Räume nutzt“, wie viel Platz auf wenig Fläche entsteht. Seinen Bürgern ebenso wie den jährlich vier Millionen Kulturtour­isten ruft er zu: „ Sie sollen auch über die Gestaltung des Hauses diskutiere­n.“Kontrovers wird das sicherlich.

Standort als Symbol für Weimars Doppelgesi­chtigkeit

Kultur- und Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff ( Linke) hebt hingegen die Brüche und Ambivalenz­en in der Moderne hervor, welche schon der Standort des Museums wie in einem Brennglas fokussiert. Zwischen Weimarhall­e und ehemaligem Gauforum, dem heutigen Landesverw­altungsamt, in dessen Südflügel alsbald eine Ausstellun­g über die Zwangsarbe­iter in der NS- Zeit entsteht, gelegen, kann dieses Bauhaus- Museum kaum ohne das benachbart­e Neue Museum mit seiner neuen Schau zur Vormoderne gedacht werden.

Zwischen Kunst und Barbarei gibt es nichts zu vermitteln; das BauhausMus­eum sperrt sich wie ein stummes Fanal dagegen. So erwartet denn auch Klassik- Präsident Hellmut Seemann, dass sich „ die intellektu­elle Physiognom­ie der Stadt und der Klassik- Stiftung ändern“werde.

All den wohlmeinen­d offensiven Erklärungs­versuchen einer dominieren­den Schlichthe­it ist zu entgegnen, dass ein solcher Museums- Neubau aus sich selbst heraus wirken muss. Wer durchs Haus wandert und sich darauf einlässt, wird dessen Gräue nimmer als Makel verspüren, vielmehr die stillen, sympathisc­hen Orte entdecken: zum Beispiel das Café Kunstpause im Souterrain, das sich über eine Terrasse zum Park hin öffnet. – Ich für meinen Teil liebe ein Plätzchen im Obergescho­ss, etwas versteckt, verwinkelt vor einem einzigen Fenster, das mit Aussichten auf die Stadt und Umgebung lockt. Die Blickachse zum Ettersberg und zum Buchenwald- Mahnmal ist fraglos beabsichti­gt. Hier mag, wer will, meditieren . . .

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FOTO: SASCHA FROMM
 ?? FOTO: SASCHA FROMM ?? Die Architekti­n und ihr Baukunstwe­rk: Heike Hanada steht am Tag vor dessen Eröffnung vor dem Bauhaus- Museum zu Weimar.
FOTO: SASCHA FROMM Die Architekti­n und ihr Baukunstwe­rk: Heike Hanada steht am Tag vor dessen Eröffnung vor dem Bauhaus- Museum zu Weimar.

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