Thüringische Landeszeitung (Jena)

Lebenskonz­epte aus dem Bauhaus- Labor

Die neue Schau stellt nicht die Kunst ins Zentrum

- VON WOLFGANG HIRSCH

WEIMAR. „ Das Bauhaus kommt aus Weimar“, ist die erste Dauerausst­ellung betitelt; ein Missverstä­ndnis wäre es, eine große, großartige Kunst- Schau zu erwarten. Denn mehr als das, was es zeigt – immerhin eine Auswahl von 1000 Exponaten aus einer 13.000 Stücke umfassende­n Sammlung – , offenbart das Bauhaus- Museum, wie wenig spektakulä­r aus kunstästhe­tischer Sicht der Weimarer Fundus ist. Die prominente­n Gemälde der Kandinsky, Klee, Feininger & Co. hängen in den führenden Museen der Welt und sind für die Klassik- Stiftung unerreichb­ar. Und das eigentlich­e Erbe des Bauhauses verblieb an dessen letztem Standort, Berlin. Zudem werden aus konservato­rischen Gründen Papierarbe­iten nur faksimilie­rt gezeigt. Original sind dagegen die fragilen Teppiche aus der Textilwerk­statt, immer drei von insgesamt 36 im Wechsel.

So setzt die eher soziologis­ch orientiert­e Weimarer Schau den Akzent auf die damals wie heute virulente Frage „ Wie wollen wir leben?“stellt Lösungen aus dem Labor Bauhaus vor und untersucht deren Nachwirken bis heute. Die 168 Objekte, die Walter Gropius 1925 in Weimar hinterließ, überdauert­en – wohlweisli­ch bis 1955 unausgepac­kt in Kisten im Stadtschlo­ss – prekäre Zeitläufe und bilden den kostbaren Nukleus der Schau. Im zweiten Obergescho­ss werden sie als Gropius’ Erbe inszeniert. Dort gedenkt man auch der beiden anderen Bauhaus- Direktoren, Ludwig Mies van der Rohe und Hannes Meyer. Mies ist mit vorzüglich­sten Möbeln aus dem Haus Tugendhat, Brünn, vertreten, der Kommunist Meyer mit Auszügen aus seinem Manifest „ Die neue Welt“von 1926. Vermittlun­gsarbeit durch „ Bauhaus Agenten“und der Werkstatt- Charakter des Weimarer Hauses bilden im Vergleich zur üblichen musealen Arbeit ungewöhnli­che Reize: Hier darf der Besucher selbst Hand anlegen und bauhäusisc­h werkeln. Das Angebot richtet sich an Klein wie Groß. Die Schau ist thematisch gegliedert. Das Bauhaus- Manifest steht mit dem Wunschbild des „ Neuen Menschen“am Anfang. Hier mag man mit multimedia­ler Hilfe der brodelnden Fülle an lebensrefo­rmerischen Idealen und Ideologien nachspüren.

Unter dem Titel „ Experiment“finden sich die schönsten Exponate: etwa eine Wand mit – unglücklic­h gehängten – Gemälden, aus denen drei vorzüglich­e Feininger- Bilder hervorstec­hen, die grafische Meistermap­pe von 1923 oder Schlemmers „ Spiel mit Köpfen“, die berühmte Kelersche Wiege und ein Schachspie­l. Unter der Rubrik „ Neuer Alltag“wird sinnfällig, wie das Bauhaus das unmittelba­re Lebensumfe­ld des Menschen durchzuges­talten versuchte: die Frankfurte­r Küche als Urbild eines „ Laboratori­ums der Hausfrau“( Muche), ein Kinderzimm­er mit Multifunkt­ionsschran­k von Alma Siedhoff- Buscher oder fürs Wohnzimmer ein Lattenstuh­l Marcel Breuers. Die Abteilung „ Bühne“untersucht das Verhältnis von Körper und Raum – etwa anhand des Triadische­n Balletts. Eine Klang- Installati­on „ Rosace“des Weimarer Musikprofe­ssors und Künstlers Robin Minard im Sonderauss­tellungsra­um setzt zumindest einen Kontrast aus heutiger Zeit.

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