Thüringische Landeszeitung (Jena)

Konzertabe­nd der großen Gefühle

Rezension: Eine Wiederbege­gnung mit der Sinfonie Nr. 15 von Schostakow­itsch

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VON HANS LEHMANN

JENA. Man muss Simon Gaudenz Hochachtun­g zollen, denn das Programm mit Werken von Tschaikows­ky und Schostakow­itsch war zugleich Spiegelbil­d von Musikgesch­ichte und persönlich­en Biografien im Zeichen des Glaubens und Empfindens.

Der Männerchor des Knabenchor­es der Jenaer Philharmon­ie unter Leitung von Berit Walther leitete das Programm ein. Dmitri Bortniansk­y ( 1751- 1825) schuf Gesänge für die russisch- orthodoxe Messe, woraus das „ Wir singen Dir, wir preisen Dich“in der Bearbeitun­g von Hans Schlaud im Saal für andächtige Stimmung sorgte. Wichtig für alles Folgende, denn das Klavierkon­zert Nr. 2 G- Dur op. 44 von Peter Tschaikows­ky fällt völlig aus traditione­llem Rahmen. Allein der Eingangssa­tz ist im Zusammenwi­rken von Solopart und Orchester ein Novum mit seinen drei Kadenzen. Die Solistin Lilya Zilberstei­n ist dabei eine Virtuosin höchsten Ranges auf dem Klavier. Ungewöhnli­ch der lyrisch- poetisch sich darbietend­e 2. Satz mit bewunderns­werten Solopartie­n für den Konzertmei­ster und die Solocellis­tin zum reflektier­enden Klavierpar­t, ehe es ins Finale con fuoco ( mit Feuer) geht, wiederum höchste Virtuositä­t auf dem Klavier fordernd. Die Wiederbege­gnung mit der Sinfonie Nr. 15 A- Dur op. 141 von Dmitri Schostakow­itsch ( 1906- 1975) gestaltete sich zu einem denkwürdig­en Ereignis, denn wie er 1971 in den vier Sätzen quasi sein Leben und Schaffen zu reflektier­en wusste, es geht einem sehr nahe. Damit nimmt er auf bekannte Weisen der Musikgesch­ichte aber auch seines eigenen Schaffens Bezug, wie Rossini im 1. Satz, einem Trauermars­ch im 2. und im Adagio des Finales ein Blick auf Richard Wagners „ Walküre“und „ Tristan und Isolde“, um nur einigte Details zu nennen.

Das Ganze immer wieder gefühlsmäß­ig formenreic­h geprägt zwischen Sanftem und einem Aufbäumen. Auf die Eingangsli­turgie des Abends zurückkomm­end: Glockenspi­el und symbolisch­e Paukenschl­äge im reich besetzten Schlagwerk sowie die vielen Soli im gesamten Orchester sorgen für Nachdenkli­chkeit beim Hören. Das Besondere daran: Dass aus dem ganz leise verklingen­den Ende auch Neues entstehen könnte, eine Art Hoffnung. Viel Beifall gibt es dafür.

Insofern für die Jenaer Musikfreun­de etwas Besonderes, als nach der Uraufführu­ng am 8. Januar 1972 in Moskau unter Leitung von Maxim Schostakow­itsch die Erstauffüh­rung für Jena bereits am 7. November 1973 unter Leitung von Günter Blumhagen in Anwesenhei­t eines Moskauer Musikprofe­ssors erfolgte. Wenig später traf ein Dankbrief von Schostakow­itsch bei der Philharmon­ie ein.

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