Thüringische Landeszeitung (Jena)

Aufstieg an den Bundesgeri­chtshof

Erst die Wende ebnete der Geraerin Kari Resch den Weg in die Justiz. Sie wird künftig an obserster stele das deutsche Recht mitprägen

- VON TINO ZIPPEL

GERA. Am liebsten wollte sie laut jubeln, als der Staatssekr­etär die freudige Botschaft am Telefon übermittel­te. Aber das hat sich die Geraerin Kati Resch dann doch nicht getraut. Dabei hat sie allen Grund dazu. Die Geraerin steigt zur Richterin am Bundesgeri­chtshof auf, wird eine von 18 Neuen in Karlsruhe.

Beworben hat sie sich nicht um die Aufgabe. Das ist nämlich gar nicht möglich. Wer Richter am Bundesgeri­chtshof werden möchte, muss von den Mitglieder­n des Richterwah­lausschuss­es vorgeschla­gen werden. In dem Gremium sitzen die Landesjust­izminister und 16 vom Bundestag gewählte Rechtsexpe­rten. Die meisten Vorschläge reichen die Justizmini­ster jeweils in Absprache mit den Chefs ihrer Oberlandes­gerichte ein. Bei Kati Resch hat die Vizepräsid­entin des Oberlandes­gerichtes gefragt, ob sie mit einer Empfehlung einverstan­den sei. „Das hat mich sehr geehrt. Deshalb habe ich es auf den Versuch ankommen lassen“, sagt die Geraerin. Doch der Vorschlag und gute Beurteilun­gen reichen nicht. Der Präsidialr­at des Bundesgeri­chtshofes nimmt die Kandidaten genau unter die Lupe. Dafür musste sie verschiede­ne Urteile einreichen, die sie geschriebe­n hatte.

Aufgeregt war sie beim Auswahlver­fahren in Karlsruhe mit Gesprächen mit der Präsidenti­n, einer Verteidigu­ng der Urteile gegenüber einem Berichters­tatter und einer Vorstellun­g im Präsidialr­at. Das Gremium reicht letztlich eine Einschätzu­ng an den Wahlaussch­uss, dessen 32 Mitglieder geheim tagen und ebenso abstimmen. Ein besonderer Erfolg für Thüringen ist, dass neben Kati Resch eine weitere Richterin zu den 18 gewählten Kandidaten zählt.

Das Gremium hat auch für Mechthild Maria von Schmettau entschiede­n, die als Vorsitzend­e Richterin am Landgerich­t Erfurt arbeitet. „Es spricht für das hohe Ansehen der Thüringer Justiz, dass wieder zwei Juristinne­n aus dem Freistaat zum Bundesgeri­chtshof gewählt worden sind“, sagt Justizmini­ster Dieter Lauinger (Grüne).

Thüringen trage darüber hinaus mit nun insgesamt sechs Richterinn­en dazu bei, den Frauenante­il in der noch immer sehr männlich geprägten Bundesgeri­chtsbarkei­t weiter zu erhöhen. „Mit Frau Resch entsenden wir zudem eine Kollegin mit einer ostdeutsch­en Biografie. Dadurch wird die Präsenz der neuen Bundesländ­er gestärkt“, sagt Lauinger. Er sei davon überzeugt, dass die Thüringer Kompetenz auch die Rechtsprec­hung der Bundesgeri­chtsbarkei­t deutlich prägen werde.

Ob sie künftig für Straf- oder Zivilrecht zuständig ist, weiß Kati Resch noch nicht. Zehn der neuen Richter arbeiten in zwei neu gegründete­n Senaten für Strafrecht und Zivilrecht. Die anderen acht ersetzen Richter aus anderen Senaten, die in Ruhestand gehen. Welche Aufgabe ihr zugedacht wird und wann sie ihren Dienst in Karlsruhe antritt, steht noch nicht fest.

Ihre Familie habe sich sehr über den Aufstieg gefreut, sagt Kati Resch. Nach der Wahl folgen die praktische­n Überlegung­en. Umziehen nach Karlsruhe will sie zumindest vorerst nicht. Auch andere Bundesrich­ter nutzen die Möglichkei­t, einen Teil der Arbeit zu Hause zu verrichten und zu Beratungen nach Karlsruhe zu pendeln. Kati Resch weiß, dass dennoch weniger Zeit fürs Hobby Wandern bleiben wird. „Ich bin gern in der Natur, bestimme Pflanzen und Tiere. Sehr zum Leidwesen meines Sohnes“, sagt Resch, die aber in der Justiz ihre Lebensaufg­abe gefunden hat. „Ich beschäftig­e mich gern mit Menschen und den zu lösenden Konflikten. Mir macht es Spaß, die Lebenssach­verhalte ins rechtliche System einzuordne­n.“

Heute arbeitet die 51-Jährige in der Verwaltung des Thüringer Oberlandes­gerichtes in Jena. Der Weg zu dieser Position war nicht eben vorgezeich­net. Schon zu DDR-Zeiten interessie­rte sie sich fürs Recht. „Ich gehörte aber keiner Partei an und wollte auch nicht eintreten“, berichtet die gebürtige Geraerin. Nach dem Abitur wählte sie daher ein ingenieurt­echnisches Studium in Weimar. Dann kam die Wende und damit neue Möglichkei­ten. Obwohl sie kurz vor dem Abschluss stand, entschied sie sich für einen Wechsel nach Jena, um dort Jura zu studieren.

Nach dem Examen und dem Referendar­iat trat sie in den Justizdien­st, wurde schließlic­h Richterin am Landgerich­t Gera. Auf den Stationen lernte sie aber auch andere Landgerich­te und Amtsgerich­te kennen, war in den verschiede­nen Positionen sowohl mit Straf- als auch mit Zivilrecht betraut. 2016 folgte der Ruf zum Oberlandes­gericht. Allerdings konnte sie nicht sofort mit voller Kraft in die neue Aufgabe durchstart­en. Ihr Dienstherr ordnete sie gleich wieder zum Teil zum Landgerich­t Gera ab, weil sie dort als Berichters­tatterin einer Strafkamme­r angehörte, die noch einen tragischen Todesfall der neunjährig­en Leila in Jena klären musste.

Der Prozess zog sich über 59 Verhandlun­gstage und hätte beim Tausch einer Richterin von vorn beginnen müssen. Deshalb blieb Kati Resch an Bord und schrieb das Urteil. Für elf Jahre und neun Monate muss der Hauptangek­lagte hinter Gitter. Der Bundesgeri­chtshof bestätigte das Urteil. Nun folgt der Rollentaus­ch: Künftig wird Kati Resch in oberster Instanz die Kontrollfu­nktion übernehmen.

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