Thüringische Landeszeitung (Jena)
Ramelow und die heilige Schildkröte
Der Ministerpräsident hat mit seiner Rekorddelegation eine einwöchige Werbefahrt in Vietnam begonnen. Es geht um Fachkräfte, Aufträge und Politik
HANOI. Sie ist 208 Zentimeter lang und 101 Zentimeter breit: Die Jangtse-Riesenweichschildkröte. Sie lagert in einem Glaskasten, der eigentlich eine Art Schrein ist, streckt ihren Kopf dem Ministerpräsidenten aus Thüringen entgegen und starrt ihn aus kleinen Glasaugen an.
Bis vor gut drei Jahren dümpelte die Schildkröte noch hier im Hoan-Kiem-See, einem grünlichen schimmernden Gewässer inmitten der Altstadt von Hanoi. Nun, seit ihrem Tod im Januar 2016, steht die Spezies endgültig vor dem Aussterben. Aktuell soll es nur noch zwei Schildkröten in chinesischen Zoos geben.
Dafür liegt aber nun „Cu Rua“(Großvater), wie das Tier zu Lebzeiten genannt wurde, einbalsamiert auf einer kleinen Insel im See, zu dem eine Holzbrücke mit roten Geländern führt. Der Tempel Ngoc Son ist so heilig wie das Tier. Die Schildkröte, so besagt es die Legende, soll über Jahrhunderte das Goldene Schwert bewacht haben, mit dem jeder Krieg gewonnen werden konnte.
Bodo Ramelow (Linke) ist am Sonntagnachmittag im Tempel, weil die Schildkröte, wie so vieles auf der Welt, irgendwie etwas mit Thüringen zu tun hat. Präpariert hat nämlich das riesige, zu Lebzeiten fast 170 Kilogramm schwere Tier Marco Fischer vom Erfurter Naturkundemuseum. Gemeinsam mit einem Kollegen aus Berlin war er deshalb mehrfach in Hanoi.
Seit wenigen Wochen ist nun das Resultat seiner Arbeit im Tempel zu besichtigen. Und so steht nun der thüringische Ministerpräsident vor der Schildkröte und sagt zu dem örtlichen Verantwortlichen: „Es war uns eine Ehre, das Tier präparieren zu dürfen.“Und die Glasaugen, spekuliert er fröhlich dazu, die seien sicher aus Lauscha im Thüringer Wald . . .
Die Augen sind, so stand es schon in dieser Zeitung, aus den USA. Aber das ist egal auf dieser Reise, in der es ausschließlich um Vietnam und Thüringen gehen soll, und die vor allem ein Ziel hat: Möglichst viele junge Menschen aus Südostasien nach Südostdeutschland zu holen. Schon jetzt lernen hunderte Lehrlinge in Hotels, Gaststätten, Fleischereibetrieben oder auf dem Bau. Doch der Bedarf ist enorm. Der Ministerpräsident steht deshalb an der Spitze der größten Regierungs- und Wirtschaftsdelegation, die jemals von Thüringen aus ins Ausland aufbrach. Ein großer Teil der gut 100 Teilnehmer sind Unternehmer, die Azubis anwerben wollen. Auf dem einwöchigen Programm stehen Besuche in Ausbildungszentren und Treffen mit den künftigen Lehrlingen, die gerade in Hanoi ihre Deutschkurse absolvieren. Daneben geht es um Firmenkontakte und Hochschulkooperationen.
Begleitet wird Ramelow von Sozialministerin Heike Werner (Linke), Wirtschaftsstaatssekretärin Valentina Kerst (SPD) und Medienstaatssekretär Malte Krückels (Linke). Kerst wird Ende der Woche mit einigen Unternehmern noch nach Singapur weiterreisen.
Darüber hinaus will der Regierungschef in Hanoi und Ho-ChiMinh-Stadt auch zahlreiche politische Gespräche führen, darunter mit dem vietnamesischen Premierminister und den Ministern für Planung, Wissenschaft und Arbeit. Und: Geplant ist auch ein Treffen mit einem Politbüromitglied der Kommunistischen Partei und der Besuch der zentralen Parteischule.
Werner, Kerst und Krückels sind mit dabei