Thüringische Landeszeitung (Jena)
Hoffnung im Kampf gegen Parkinson
Zittern, Steifheit, Depressionen: Noch ist die Nervenkrankheit unheilbar. Jetzt haben zwei Studien zum Einsatz von Antikörpern begonnen
BERLIN. „Zum ersten Mal sind Therapien in Reichweite, die an den Ursachen ansetzen, statt lediglich die Symptome zu bekämpfen“, sagt Prof. Günter Höglinger. Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) macht Mut im Kampf gegen die zweithäufigste degenerative Nervenkrankheit. „Die Ansätze sind vernünftig und vielversprechend, auch wenn es keinen Anlass zu überzogenen Hoffnungen gibt“, sagt der Neurologe im Vorfeld des WeltParkinson-Tages am Donnerstag (11. April).
Wie weit ist Parkinson verbreitet?
„Parkinson ist weltweit die am schnellsten zunehmende neurologische Erkrankung“, sagt Prof. Lars Tönges vom St. Josef-Hospital der Ruhr-Universität Bochum. Die Zahl der Patienten ist laut einer im Herbst veröffentlichten Studie der University of Rochester (USA) von etwa 2,5 Millionen im Jahr 1990 auf 6,1 Millionen (2016) gestiegen. Ein Grund dafür ist die steigende Lebenserwartung. Männer sind um den Faktor 1,4 häufiger betroffen als Frauen. Im Schnitt erkranken die Menschen mit etwa 60 Jahren. Auch in Deutschland steigt Schätzungen zufolge die Zahl der Betroffenen. Aktuell sind es laut einer Hochrechnung 400.000. Nach Angaben der DPG sterben hierzulande jährlich etwa 7000 Menschen an den Folgen der Krankheit.
Was sind die Ursachen für Parkinson? Die in der Illustration rot dargestellten Eiweißverklumpungen lassen Nervenzellen absterben.
Die sogenannte Substantia nigra ist ein kleiner Teil des Gehirns. Dort produzieren Nerven den Botenstoff Dopamin. Dieser ist wichtig bei der Steuerung von Bewegungen. Bei der Parkinson-Krankheit sterben die Nervenzellen nach und nach ab, sodass es zu einem Dopamin-Mangel kommt. Dafür verantwortlich sind Ablagerungen, die aus verklumpten Eiweißmolekülen bestehen. Das Eiweiß heißt Alpha-Synuclein.
Was sind die Symptome?
Das wohl bekannteste Symptom ist das Zittern der Hände. Doch
auch Muskelsteifheit, Gleichgewichtsstörungen und eine verlangsamte Bewegung gehören dazu, ebenso – meist in einem späteren Stadium der Erkrankung – Probleme beim Sprechen und Schlucken, Depressionen oder geistige Beeinträchtigungen bis hin zur Demenz.
Mögliche erste Anzeichen für Parkinson sind Schlafstörungen, Probleme mit dem Riechen, eine chronische Verstopfung und häufige Übellaunigkeit. „Besonders typisch für nichtmotorische Symptome sind Störungen der REM-Schlafphase“, sagt Höglinger. Erkennbar seien diese
an zum Teil heftigen Bewegungen im Traum.
Wie läuft die Diagnose? Zuständig dafür sind Neurologen. Sie fragen Symptome ab und machen Tests, etwa zum Mitschwingen der Arme beim Gehen. Bildgebende Verfahren helfen, andere Krankheiten auszuschließen. In schwierigen Fällen kann ein stationärer Klinikaufenthalt nötig sein, um die Diagnose zu stellen.
Was sind bisherige Therapien?
Bisher konzentriert sich die Behandlung FOTO: ISTOCK
vor allem auf den Ausgleich des Dopamin-Mangels durch Medikamente. Diese regen die Dopamin-Produktion an, ersetzen den Botenstoff oder behindern dessen Abbau. Sie werden einzeln oder in Kombination verschrieben, um eine lange Wirksamkeit zu erzielen.
„Das Spektrum der Therapien ist in den vergangenen Jahren beständig größer geworden und hat die Lebensqualität der Patienten erhöht“, sagt Prof. Rüdiger Hilker-Roggendorf, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Klinikum Vest in Recklinghausen. Dazu gehörten auch Physiotherapie und – im fortgeschrittenen Stadium – die tiefe Hirnstimulation oder das Implantieren vom Pumpen, die Wirkstoffe automatisch unter die Haut oder in den Dickdarm abgeben. Heilbar ist die Grunderkrankung bisher nicht.
An welchen Therapien wird gearbeitet?
Oft entstehen nach langer Behandlung Wirksamkeitsschwankungen bei den eingesetzten Medikamenten. Hoffnung machen neue Ansätze, etwa Immuntherapien. Bei diesen werden spezielle Antikörper injiziert, die sich an die verklumpenden Eiweiße binden und diese aus dem Gehirn entfernen sollen. Dadurch würden die Dopamin-produzierenden Nervenzellen gerettet. „Derzeit gibt es eine Aufbruchstimmung, weil wir mit Immuntherapien gegen Alpha-Synuclein bei Parkinson erstmals einen ganz neuen Ansatz untersuchen“, sagt Tönges.
Aktuell laufen dazu zwei Studien. Eine Phase-1-Studie mit 90 Patienten habe bereits gezeigt, dass der Wirkstoff beim Menschen sicher ist und die Synuclein-Werte im Blut sänken, berichten Forscher vom Baylor College of Medicine in Housten (USA) im Fachblatt „Jama Neurology“. Jetzt sei eine Studie mit etwa 300 Patienten zur Wirksamkeit gestartet. An weltweit 45 Behandlungsstandorten, darunter auch in München, bekommen die Teilnehmer den Wirkstoff alle vier Wochen per Infusion verabreicht. Mitte 2020 wird mit ersten Ergebnissen gerechnet. Eine andere Studie, ebenfalls mit 300 Teilnehmern, ist noch nicht ganz so weit fortgeschritten.
Darüber hinaus gibt es, Günter Höglinger zufolge, zwei weitere neue Ansätze für zukünftige Therapien: Eine Firma aus Österreich arbeite an einer aktiven Parkinson-Impfung, bei der der Körper zur Produktion von eiweißbindenden Antikörpern angeregt werden soll. Und: Das Einschleusen kleiner ErbgutSchnipsel, sogenannter Antisense-Oligonukleotiden, ins Nervenwasser habe bei anderen Nervenkrankheiten Erfolge gezeigt. „Das ist ein Ansatz, der der Wissenschaftsgemeinde Mut macht, dass dieses Prinzip auch bei Parkinson funktionieren kann. Entsprechende Studien sind in Vorbereitung“, sagt Höglinger.
Was gibt es für Unwägbarkeiten?
Der DPG-Vorsitzende warnt vor übertriebenem Optimismus: Auch bei der Bekämpfung einer anderen neurologischen Krankheit mit vielen Parallelen – Alzheimer – habe es positive Ansätze zur Entfernung von Einweißverklumpungen aus dem Nervensystem gegeben. Dann aber wurden Zulassungsstudien wegen fehlender Erfolgsaussichten abgebrochen. „Anders als bei AlzheimeristbeiParkinsonaber nur ein Eiweiß involviert. Das gibt Anlass zu mehr Optimismus“, sagt Höglinger. Und doch glaubt der Neurologe, dass die laufenden Studien mit jeweils 300 Teilnehmern „zu klein sein könnten, um schlüssige Beweise für die Wirksamkeit der Antikörpertherapie zu liefern. Weitere Studien werden folgen müssen“. (mit dpa)