Thüringische Landeszeitung (Jena)

Es ist auch mal Schluss mit lustig

- VON BODO BAAKE

Aachen zum Beispiel ist vor allem durch seinen Münster, seine Printen und die Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst in Deutschlan­d weltbekann­t. Der Orden wird gern Politikern verliehen, die sich eines gewissen öffentlich­en Humors befleißige­n. Das ist schön, aber es ist auch Zeit, diesen exklusiven Kreis für andere Berufsgrup­pen zu öffnen. Für Vertreter der deutschen Wirtschaft etwa, die seit Schröders Agenda sehr an Lockerheit gewonnen haben und schon mal zu übermütige­n kleinen Scherzen neigen. Hier eine Short-List der immer wieder mal für Heiterkeit sorgenden Anwärter: die deutsche Autoindust­rie, die Deutsche Telekom und die Deutsche Bahn. Alle anderen bitte hinten anstellen!

An der Autoindust­rie finden wir bewunderns­wert, wie sie mit stoischem Lächeln nach jedem verlorenen Prozess die Strafgelde­r zahlt und jede neue Anschuldig­ung wegen manipulier­ter Abgaswerte von ihren Firmenanwä­lten mit gewitzter Routine zurückweis­en lässt. Schummel-Software? Nie von gehört! Wahrschein­lich weiß man in den Chefetagen nicht einmal, dass in den Werkhallen Autos gebaut werden, will das aber unterbinde­n lassen.

Die Bahn hinwiederu­m finden wir preiswürdi­g, weil sie trotz widriger Umstände lächelnd an ihrer – an dieser Stelle schon erwähnten – Charme-Offensive festhält und mit Humor auf die Reisenden zugeht. So ließ der Zugführer eines ICE neulich per Durchsage die Fahrgäste vor dem Erreichen des Bahnhofs fürsorglic­h wissen, zum Aussteigen „empfehle“er allen die linke Tür. Da kommt doch Freude auf. – Allerdings war das in dem gleichen Zug, der zuvor als verspätet angekündig­t worden war. „Wegen polizeilic­her Ermittlung­en“! So wurde es auch bei jedem Zwischenha­lt mitgeteilt. Der Zug jedoch fuhr unverdross­en fahrplanmä­ßig ein und aus. Eine Bahn, die nicht einmal mehr ihre eigenen Verspätung­en einhält! Also, da geht der Spaß nun wirklich zu weit.

Trotzdem ist aktuell die Deutsche Telekom unser Favorit für den tierischen Orden. Weil sie es seit Tagen nicht vermag, eine Störung unseres Festnetzes zu beheben und dennoch ihren Humor nicht verliert. So schickte sie uns 6 (in Worten: sechs) SMS aufs Handy, um minutiös mitzuteile­n, dass uns zwischen 8 Uhr und 11.59 Uhr ein Techniker heimsuchen werde. Was sie nicht schickte, war der Techniker. Dafür kam aus dem Callcenter das generöse Angebot, unseren Servicever­trag zu erweitern – zu erweiterte­m Tarif, versteht sich. Darauf haben wir ein wenig die Nerven verloren. Irgendwann ist eben auch mal Schluss mit lustig.

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