Thüringische Landeszeitung (Jena)
Fußball-Dramaturgie in Reinform
Erst im Elfmeterschießen findet das Kreispokalfinale des KFA Jena-Saale-Orla 2018/19 zwischen dem SV Jena-Zwätzen II und dem FC Thüringen Jena einen Sieger
Jena. Tobias Jeske und Heiko Ziemer wussten nach ergebnislosen 120 Minuten, auf wen es nun ankam. Umgehend begaben sie sich zu Torhüter Mario Oertel. Die beiden Auswechselspieler des FC Thüringen Jena, die ab der zweiten Halbzeit in der Nähe ihres Keepers treu verweilten, redeten ihrem Schlussmann gut zu, stimmten ihn auf die vor ihm liegende Aufgabe ein. Ja, Jeske ließ es sich dann auch nicht nehmen, Oertel sogar noch ein Küsschen auf den Kopf zu drücken. Sicher ist eben sicher, insbesondere wenn der wirklich allerletzte Akt eines Finales eingeläutet wird. Ja, Fußball-Dramaturgie in Reinform wurde da am Sonnabend auf dem Sportplatz „Am Bowlingeck“in LobedaOst beim Kreispokalfinale des KFA Jena-Saale-Orla kredenzt, musste doch der Sieger zwischen dem SV Jena-Zwätzen II und dem FC Thüringen Jena beim Stand von 1:1 im Elfmeterschießen ermittelt werden.
Die Nerven der Spieler, Trainer und auch der Zuschauer worden noch einmal massiv beansprucht. Und natürlich auch jene der Torhüter, zum einen die von eben Mario Oertel von Thüringen Jena, zum anderen die von Marcel Witzenhausen vom SV Jena-Zwätzen II. Anspannung lag da
„Am Bowlingeck“in der Luft, die auch dadurch geschürt wurde, weil das hochdramatische Thema aus dem Film „Requiem for a Dream“von Darren Aronofsky, der so rein gar nichts mit Sport gemein hat, lautstark aus den Boxen dröhnte. Gänsehaut und so.
Man kann hinterher natürlich nur mutmaßen, ob es womöglich die recht liebevolle Hinwendung von Tobias Jeske war, die Torhüter Oertel dazu befähigte, gleich zwei Elfmeter zu halten. Als er Elfmeter Nummer fünf von den Zwätzenern hielt, es war bereits seine zweite Großtat, war allen Anwesenden bewusst, dass der nächste Thüringen-Protagonist dem ElfmeterSpuk ein Ende bereiten kann – und Szymon Kowalik mutierte dann auch zum Erlöser, zumindest für alle jene, die irgendwie dem FCT die Daumen drückten. Anschließend gab es kein Halten mehr. Der Spieler mit der Nummer zehn rannte wie ein junges Reh über das Feld, während seine Mitstreiter versuchten, ihn einzufangen. Mit 5:4 hatte der FC Thüringen Jena das Kreispokalfinale gegen die 2. Mannschaft des SV Jena-Zwätzen für sich entscheiden können.
Und natürlich gab sich auch Mario Oertel dem durch und durch süßen Moment hin. „Ich war mir bei fast allen Elfmetern von Zwätzen sicher, außer beim vierten, der einfach nur auf die Mitte kam. Eigentlich hätte ich schon den ersten haben müssen, dann wäre das wohl auch schon alles etwas eher vorbei gewesen“, sagte Oertel, der jedoch auch darauf verwies, dass stets auch etwas Glück beim Elfmeterschießen vonnöten sei.
Der Keeper erinnerte zudem an das Finale eine Jahr zuvor in Pößneck, da unterlag der FC Thüringen Jena Eintracht Camburg mit 1:2, kassierte in der 84. Minute den zweiten Treffer. „Es war für uns einfach an der Zeit, diesen verdammten Pokal zu gewinnen“, so der Torhüter weiter, der auch davon berichtete, dass er auch schon mit Post SV Jena im Kreispokalfinale stand – und verlor.
Das Spiel der beiden Kreisoberligisten lebte indes zu großen Teilen von seiner Brisanz und auch einer gewissen Härte, zumal es naturgemäß auch nicht an Emotionen mangelte. Dabei gebührte der erste Treffer des Finales den Kickern aus dem Norden Jenas. In der 37. Minute konnte Zwätzens Pascal Rossmann einen Freistoß mit dem Kopf – durchaus glücklich – zum 1:0 verwandeln. In der 75. Minute konnte Thüringens Kapitän Felix Herold dank eines Elfmeters zum 1:1 egalisieren. Ansonsten waren zwingende Chancen Mangelware, lediglich Szymon Kowalik kam mit zwei Direktabnahmen, insbesondere der ersten, dem Tor gefährlich nahe. Bei Zwätzen wiederum war es Felix Mohrmann, der in der Verlängerung eine nennenswerte Möglichkeit auf ein Tor sein Eigen nennen konnte. Doch je länger sich die Partie zog, umso spielbestimmender agierte Thüringen Jena. Im Nachhinein war es ein Vorbote des späteren Erfolges.
Das Kommando beim Pokalsieger hatte an diesem Tag ausnahmsweise nicht Steffen Geisendorf inne, er war aus privaten Gründen verhindert, sondern Falk Adamek und Matthias Jecke von der 2. Mannschaft. Und Adamek konnte nach dem Gegentor nicht mehr ruhig da am Spielfeldrand verweilen, unruhig zog er seine Kreise in der Coachingzone, während sein Mitstreiter Jecke nur punktuell aufsprang. „Das ist bei mir einfach so. Ich denke, dass das ein Stück weit auch wichtig für die Spieler ist, damit sie wissen, dass da draußen jemand ist“, sagte Adamek, der nach dem letzten erfolgreichen Elfmeter nur noch im Hier und Jetzt verweilte. „Ich fühle mich befreit. Ich bin glücklich“, sagte Adamek unmittelbar nach der Partie, der auch etwas müde aussah. Doch davon solle man sich nicht täuschen lassen, in ein paar Stunden werde das ganz anders aussehen, schließlich gebe es jetzt etwas zu feiern, frohlockte der Coach. Er habe stets an sein Team geglaubt, auch nach dem 0:1. „Ich wusste, dass wir Geduld benötigen. Letztlich bin ich der Überzeugung, dass wir verdient gewonnen haben, gen Ende haben wir mehr investiert. Außerdem waren wir jetzt einmal dran, in den vergangenen Jahren hatten wir stets das Nachsehen, doch jetzt mussten sich die Jungs und Trainer Steffen Geisendorfer, die das ganze Jahr über einen enormen Aufwand betreiben, endlich belohnen“, sagte Adamek abschließend.
Sein Trainer-Pendant von Zwätzen, Norman Mille, gab sich indes versöhnlich, auch wenn vereinzelt die Enttäuschung durchklang: „Wir haben 120 Minuten gegen einen haushohen Favoriten alles gegeben. Am Ende ist es dann halt auch eine Glückssache“, resümierte Mille, der auch darauf verwies, dass seine Mannschaft mit dem Klassenerhalt in der Kreisoberliga seine Pflicht erfüllt habe. Das Pokalfinale sei nur noch die Kür gewesen.
Ach ja, Torhüter Mario Oertel gab nach der Partie noch zu Protokoll, dass ihm sein Trainer vor dem Spiel gesagt habe, dass er doch bitte zwei unhaltbare Schüsse halten soll. „Nachdem ich ein Tor kassiert habe, musste ich ja noch zwei Unhaltbare halten – und das habe ich ja dann im Elfmeterschießen gemacht. Wenn er mir das sagt, muss ich das auch machen“, sagte er und zog glücklich von dannen.