Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Hinterhalt lauert im Internet

Es gibt deutlich mehr Cyberattac­ken, als der Polizei bekannt sind. Die Ermittler benötigen mehr Personal für ihre Arbeit

- VON KAI MUDRA

Erfurt. Niemand könne sich der Bedrohung durch Kriminelle im und über das Internet entziehen. „Cybercrime ist allgegenwä­rtig“, beschreibt am Montagaben­d in Jena der LKA-Experte Sven Heuchert die aktuelle Situation. Es gebe „keine verschloss­enen Türen“, betont der „Herr der Zahlen“im Dezernat 64, Cybercrime, beim Landeskrim­inalamt (LKA) in Erfurt.

Überall wo Menschen Computer, Laptops, Smartphone­s oder smarte Haushaltge­räte nutzen, lauern auch Gefahren, fügt der Auswertung­sspezialis­t an. Die Polizei benötige mehr Experten, um Cybercrime wirkungsvo­ll bekämpfen zu können, stellt er fest.

Denn die Zahl der Angriffe und deren Qualität steige kontinuier­lich. 2017 soll bereits jeder zweite Deutsche Opfer einer Cyberattac­ke geworden sein. Vor zwei Jahren waren 53 Prozent der deutschen Firmen digitalen Angriffen ausgesetzt. Im Vorjahr sollen es bereits 68 Prozent gewesen sein.

Vergangene­s Jahr registrier­te die Polizei deutschlan­dweit knapp 86.000 Cybercrime-Attacken. Der durch Computerbe­trug angerichte­te Schaden wird offiziell mit 71 Millionen Euro angegeben, so Sven Heuchert. Thüringenw­eit wurden im Vorjahr lediglich 2731 Fälle von Cybercrime bekannt. Dabei sollen bereits vor zwei Jahren etwa 60 Prozent der Thüringer Unternehme­n durch Cyberattac­ken bedroht worden sein.

Der Experte betont, dass die in der Kriminalst­atistik erfassten Delikte nur das Hellfeld abbilden. Bei Cybercrime werde das besonders auffällig, weil zahlreiche Betroffene Angriffe nicht anzeigen würden.

Wie groß die Differenz zwischen Statistik und dem Dunkelfeld sein könne, habe vor zwei Jahren eine Untersuchu­ng in

„Cybercrime ist allgegenwä­rtig.“Sven Heuchert, Landeskrim­inalamt

Mecklenbur­g-Vorpommern gezeigt. Danach waren 99,2 Prozent der Fälle nicht bekannt geworden. Für lediglich 0,8 Prozent lagen Anzeigen vor. Hinzu komme, dass auch ein einzelner Angriff, der Millionen Computer oder Datensätze zum Ziel habe, statistisc­h als ein Delikt gezählt werde.

Die Zurückhalt­ung bei angegriffe­nen Unternehme­n verstärke die Probleme noch weiter. Weltweit dauere es im Durchschni­tt 146 Tage, bis eine Cyberattac­ke in einer Firma erkannt werde, so Sven Heuchert. In Europa betrage diese Frist sogar 469 Tage. In Deutschlan­d falle eine Datenpanne erst nach 197 Tagen auf. Da bleibe viel Zeit für Hacker, Daten abzugreife­n oder Schadsoftw­are einzuschle­usen.

Gerade einmal 14 Prozent der Unternehme­n erstattet Anzeige. Knapp die Hälfte versuche derartige Probleme intern zu lösen, so der Experte.

Dabei gebe es immer raffiniert­ere Angriffsst­rategien. Es geht um Erpressung durch das Verschlüss­eln von Computern, Attacken auf Smartphone­s oder das Fernsteuer­n von Computern und lebenswich­tigen Anlagen wie Energienet­zen, um das Anlegen digitaler Schwarzmär­kte oder das illegale Schürfen von Krypto-Währungen.

Immer wieder würden Angreifer aber auch aus der Firma kommen, beispielsw­eise verärgerte oder entlassene Mitarbeite­r, warnt Sven Heuchert.

Der LKA-Experte rät Computerod­er Handynutze­rn, immer auch den gesunden Menschenve­rstand mit zu benutzten. Die Menschen sollen sichere Passworte einsetzen, regelmäßig die Updates aktualisie­ren und bei EMails immer Vorsicht walten lassen. Betroffene­n von Cyberattac­ken sollten diese immer der Polizei anzuzeigen. Diese komme dann aber nicht gleich, um den betroffene­n Computer oder das Smartphone zu beschlagna­hmen, beruhigt Sven Heuchert.

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