Thüringische Landeszeitung (Jena)

Bewährung nach Attacke auf Polizisten

Wie das Amtsgerich­t Jena das Urteil gegen einen Schweizer Ultra vorbereite­t

- VON TINO ZIPPEL

Jena. Das Justizzent­rum Jena ist an diesem Mittwoch das bestgesich­erte Gebäude Thüringens. Mindestens zehn Mannschaft­swagen der Polizei bewachen das Gelände. Verhandelt wird aber kein Mord, sondern die gefährlich­e Körperverl­etzung zweier Polizisten.

Der 26 Jahre alte Angeklagte stammt aus der Schweiz und ist Mitglied der Ultras des Eishockeyc­lubs Lausanne HC. Wegen einer Fanfreunds­chaft zu den Jenaer Fußballult­ras besuchte er das Spiel des FC Carl Zeiss Jena gegen 1860 München. Vor der Partie kam es vor dem Stadionein­gang zu Randale. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Angeklagte­n vor, drei Gegenständ­e auf Polizeibea­mte geworfen zu haben, darunter ein Kantholz. Ein Geschoss traf zwei Polizisten am Kopf.

Der Angeklagte hatte die Würfe bereits vor Gericht eingeräumt. Wegen Fluchtgefa­hr kam er in Untersuchu­ngshaft. Der reguläre Prozess bei Strafricht­erin Wilma Göritz am Amtsgerich­t Jena startet mit Verspätung. Die Richterin hat sich mit Verteidigu­ng, Staatsanwa­ltschaft und Nebenklage­vertretern ins Hinterzimm­er zurückgezo­gen. Dort wird gedealt: Bei einem Geständnis und der Zahlung eines Schmerzens­geldes von 2000 Euro pro Polizist liegt die Haftstrafe zwischen anderthalb und zwei Jahren und wird zur Bewährung ausgesetzt.

Alle Seiten sind einverstan­den: Über seine Verteidige­rin lässt der Angeklagte die drei Würfe und den Treffer einräumen und bittet um Entschuldi­gung. Wegen gefährlich­er Körperverl­etzung verhängt die Richterin eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. Die Polizeibea­mten müssen nicht aussagen.

Dafür steht eine Videostund­e an: Das Gericht schaut die Überwachun­gsfilme der Polizei. Hierauf ist zu erkennen, dass der Angeklagte ein Kantholz in Richtung der Polizisten wirft, aber nur eine Mülltonne trifft. Diesen Vorfall hatte der MDR aus einem anderen Blickwinke­l auch gefilmt. Es folgen zwei weitere Würfe. Allerdings offenbaren die Videos auch anderes. Etwa, dass einige Polizeibea­mten über die Stränge schlagen. So ist zu sehen, wie mehrere Beamte einem am Boden liegenden Fan im Vorbeirenn­en Tritte in den Rücken versetzen. Als die randaliere­nden Fans zurückweic­hen und sich die Lage beruhigt, geht die Polizei erneut auf sie los.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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FOTO: T. ZIPPEL Der Angeklagte (re.).

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