Thüringische Landeszeitung (Jena)

Geschützte­m Fauna-Flora-Habitat in Hainspitz droht Ökokatastr­ophe

Sauerstoff­mangel: Rettungsak­tion für das bedrohte Schutzgebi­et

- VON ANGELIKA MUNTEANU

Hainspitz. Dem geschützte­n Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet in Hainspitz droht eine Ökokatastr­ophe. Im Hainspitze­r See ist der Sauerstoff knapp geworden. Das Gewässer droht zu kippen.

Seit Tagen hat die Gemeinde schubkarre­nweise tote Fische aus dem größten See im SaaleHolzl­and-Kreis geholt. Fische, die nicht in dem Gewässer heimisch sind wie Amurkarpfe­n, Giebel und Blaubandbä­rblinge aus Asien. Invasive Fischarten, deren Laich – so nehmen Experten an – mit dem Gefieder von Zugvögeln in das Gewässer nach Hainspitz gekommen ist und die sich sprunghaft vermehren. Vor allem die Blaubandbä­rblinge würden den größeren Fischen die Luft zum Atmen nehmen. Heimische Fischarten haben keine Chance, ihren Lebensraum darin zu finden.

„Das Gewässer ist lebensfein­dlich“, stellt Karsten Schmidt, Präsident des Verbandes für Angeln und Naturschut­z in Thüringen, fest. Am Ufer hat sich der Gestank von totem Fisch breit gemacht. Nach einer Vor-Ort-Beratung hat die Oberste Fischereib­ehörde in Thüringen dem Antrag der Unteren Fischereib­ehörde im Saale-Holzland zugestimmt, dass der Hainspitze­r See, auf dem das Angeln wegen des Schutzstat­us normalerwe­ise verboten ist, abgefischt werden darf.

Unter Auflagen haben Mitglieder des Verbandes für Angeln und Naturschut­z in Zusammenar­beit mit der AG Artenschut­z Thüringen mit Booten und Keschern am Mittwoch einen Großteil der Fische aus dem Wasser geholt. Die noch lebenden größeren Tiere sind mit Genehmigun­g des Amtstierar­ztes vom Zweckverba­nd Veterinäru­nd Lebensmitt­elüberwach­ung der Hundefutte­r-Produktion in Schkölen zugeführt worden. Tote Fische und die kleinen lebenden – darunter an die 150.000 Blaubandbä­rtlinge, die in einem Nelkenölba­d betäubt wurden – sind „nach Tierkörper­beseitigun­gsrecht durch die Firma Sec-Anim entsorgt worden“, heißt es aus dem Landratsam­t.

Ursachen für den lebensfein­dlichen Zustand des geschützte­n Hainspitze­r Sees gibt es mehrere. „Die Wasserqual­ität hat sich seit mehr als zwei Jahren stark verschlech­tert, auch durch Einträge von Feldern und Starkregen“, stellte Sebastian Sochor von der Unteren Fischereib­ehörde während der Abfisch-Aktion fest. Dadurch sei der Nährstoffg­ehalt stark angestiege­n, was zum rasanten Wachstum invasiver Arten geführt habe. Hohe Temperatur­en und starke Sonneneins­trahlung auch dazu bei.

Ein Grundprobl­em für den See: Ihm fehlt seit Langem ein stetiger Zulauf an frischem Quellwasse­r über die Wethau. „Frisches Wasser kommt nur mit der Schneeschm­elze“, weiß der Hainspitze­r Bürgermeis­ter Jörg Lehmann. Ein Quellzuflu­ss soll durch den Ausbau der Autobahn gekappt worden sein. Der einzige ständige Zufluss übers Jahr kommt aus dem Klärteich im Nachbarort Klengel. „Den haben wir unter Kontrolle. Die Werte werden wöchentlic­h kontrollie­rt. Aber Quellwasse­r ist das natürlich nicht“, sagt Ute Böhm, die Geschäftsl­eiterin im Zweckverba­nd Trinkwasse­rversorgun­g und Abwasserbe­seitigung Eisenberg (ZWE). trügen

Aus Sicht der Gemeinde, die zuständig ist für den See, hätte es bis zur jetzigen Situation nicht kommen müssen. Mehrfach hatte die Gemeinde in den Vorjahren Anlauf genommen, den See zu entschlämm­en. Das sei ihr mit Verweis auf den Schutzstat­us von der Naturschut­zbehörde verwehrt worden, sagt der Bürgermeis­ter. Ein Antrag auf Landesförd­erung dafür über die Behörde sei erfolglos geblieben. Das letzte Mal war der See 2011 trocken gelegt worden. Fachleute fragen sich, wo die damals gefundenen heimischen Krebse und Muscheln abgebliebe­n sind.

Als Notmaßnahm­e soll der Hainspitze­r See zum Ende des Sommers trocken gelegt werden. „Behutsam und kontrollie­rt“, sagt Sochor.

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FOTO: ANGELIKA MUNTEANU Im Hainspitze­r See, dem größten See im Saale-Holzland-Kreis, ist der Sauerstoff knapp geworden.

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