Thüringische Landeszeitung (Jena)
Geschütztem Fauna-Flora-Habitat in Hainspitz droht Ökokatastrophe
Sauerstoffmangel: Rettungsaktion für das bedrohte Schutzgebiet
Hainspitz. Dem geschützten Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Gebiet in Hainspitz droht eine Ökokatastrophe. Im Hainspitzer See ist der Sauerstoff knapp geworden. Das Gewässer droht zu kippen.
Seit Tagen hat die Gemeinde schubkarrenweise tote Fische aus dem größten See im SaaleHolzland-Kreis geholt. Fische, die nicht in dem Gewässer heimisch sind wie Amurkarpfen, Giebel und Blaubandbärblinge aus Asien. Invasive Fischarten, deren Laich – so nehmen Experten an – mit dem Gefieder von Zugvögeln in das Gewässer nach Hainspitz gekommen ist und die sich sprunghaft vermehren. Vor allem die Blaubandbärblinge würden den größeren Fischen die Luft zum Atmen nehmen. Heimische Fischarten haben keine Chance, ihren Lebensraum darin zu finden.
„Das Gewässer ist lebensfeindlich“, stellt Karsten Schmidt, Präsident des Verbandes für Angeln und Naturschutz in Thüringen, fest. Am Ufer hat sich der Gestank von totem Fisch breit gemacht. Nach einer Vor-Ort-Beratung hat die Oberste Fischereibehörde in Thüringen dem Antrag der Unteren Fischereibehörde im Saale-Holzland zugestimmt, dass der Hainspitzer See, auf dem das Angeln wegen des Schutzstatus normalerweise verboten ist, abgefischt werden darf.
Unter Auflagen haben Mitglieder des Verbandes für Angeln und Naturschutz in Zusammenarbeit mit der AG Artenschutz Thüringen mit Booten und Keschern am Mittwoch einen Großteil der Fische aus dem Wasser geholt. Die noch lebenden größeren Tiere sind mit Genehmigung des Amtstierarztes vom Zweckverband Veterinärund Lebensmittelüberwachung der Hundefutter-Produktion in Schkölen zugeführt worden. Tote Fische und die kleinen lebenden – darunter an die 150.000 Blaubandbärtlinge, die in einem Nelkenölbad betäubt wurden – sind „nach Tierkörperbeseitigungsrecht durch die Firma Sec-Anim entsorgt worden“, heißt es aus dem Landratsamt.
Ursachen für den lebensfeindlichen Zustand des geschützten Hainspitzer Sees gibt es mehrere. „Die Wasserqualität hat sich seit mehr als zwei Jahren stark verschlechtert, auch durch Einträge von Feldern und Starkregen“, stellte Sebastian Sochor von der Unteren Fischereibehörde während der Abfisch-Aktion fest. Dadurch sei der Nährstoffgehalt stark angestiegen, was zum rasanten Wachstum invasiver Arten geführt habe. Hohe Temperaturen und starke Sonneneinstrahlung auch dazu bei.
Ein Grundproblem für den See: Ihm fehlt seit Langem ein stetiger Zulauf an frischem Quellwasser über die Wethau. „Frisches Wasser kommt nur mit der Schneeschmelze“, weiß der Hainspitzer Bürgermeister Jörg Lehmann. Ein Quellzufluss soll durch den Ausbau der Autobahn gekappt worden sein. Der einzige ständige Zufluss übers Jahr kommt aus dem Klärteich im Nachbarort Klengel. „Den haben wir unter Kontrolle. Die Werte werden wöchentlich kontrolliert. Aber Quellwasser ist das natürlich nicht“, sagt Ute Böhm, die Geschäftsleiterin im Zweckverband Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung Eisenberg (ZWE). trügen
Aus Sicht der Gemeinde, die zuständig ist für den See, hätte es bis zur jetzigen Situation nicht kommen müssen. Mehrfach hatte die Gemeinde in den Vorjahren Anlauf genommen, den See zu entschlämmen. Das sei ihr mit Verweis auf den Schutzstatus von der Naturschutzbehörde verwehrt worden, sagt der Bürgermeister. Ein Antrag auf Landesförderung dafür über die Behörde sei erfolglos geblieben. Das letzte Mal war der See 2011 trocken gelegt worden. Fachleute fragen sich, wo die damals gefundenen heimischen Krebse und Muscheln abgeblieben sind.
Als Notmaßnahme soll der Hainspitzer See zum Ende des Sommers trocken gelegt werden. „Behutsam und kontrolliert“, sagt Sochor.