Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Hauptsache, ich stehe auf dem Platz“

Sara Däbritz zeigt bei der Fußball-Weltmeiste­rschaft Nervenstär­ke. Die Mittelfeld­spielerin wird auch nach dem Turnier in Frankreich bleiben

- VON BJÖRN GOLDMANN

Rennes. Wenn Sara Däbritz einmal anfängt, hört sie nicht mehr auf. Der Ehrgeiz der 24-Jährigen ist schnell geweckt, auch auf dem Golfplatz am Teamhotel in Rennes. Die ARD dreht gerade mit Deutschlan­ds erfolgreic­hster Torschützi­n der Fußball-WM in Frankreich vor dem Viertelfin­ale am Samstag gegen Schweden. Däbritz hat die ersten langen Bälle geschlagen, nun bittet die Kamerafrau sie auf das Putting-Green. „Chippen müssen wir auch noch üben“, sagt Sara Däbritz, die sichtbar Freude am Golfspiele­n gefunden hat. Ein Gespräch über Golf, Fußball und Ehrgeiz.

Sie scheinen Gefallen am Golfen gefunden zu haben. Den Schlag aus kurzer Distanz aufs Loch haben Sie so oft wiederholt, bis er drin war. Wie wichtig ist Ehrgeiz in diesen WMZeiten?

Ich bin schon seit klein auf sehr ehrgeizig. Das gehört gerade im Fußball dazu, wenn man sich verbessern will. Man muss aber unterschei­den zwischen Verbissenh­eit und einem gesunden Ehrgeiz. Ich habe Letzteres, was aber auch einfach zu mir passt, denn ich bin ein lebensfroh­er, ein positiver Mensch, der gerne lacht. Am Anfang war ich eben beim Golfen schon ein bisschen grantig, weil es nicht so gut geklappt hat, aber dann ist es schnell besser geworden und macht Spaß.

Bei dieser WM hat man sie bisher ehrgeizig und nervenstar­k erlebt. Ehrgeizig wegen des Siegtreffe­rs gegen Spanien und ihrem Tor gegen Südafrika, beide Male waren es Abpraller, die Sie über die Linie gedrückt haben. Nervenstar­k wegen ihres dritten Treffers, dem verwandelt­en Elfmeter gegen Nigeria. Das ganze Spiel gegen Spanien war ein absoluter Willensakt, nicht nur mein Tor. Es war eine Teamleistu­ng, jeder hat gekämpft, geackert und alle sind gelaufen bis zum Umfallen. Das zeichnet uns aber schon während des gesamten Turniers aus. Bisher war alles dabei: Wir haben guten Fußball gespielt, wir hatten Arbeitssie­ge wie gegen China und Spanien. Wir haben uns von Spiel zu Spiel weiterentw­ickelt und ich bin stolz auf diesen Prozess, den wir hier in Frankreich als Mannschaft durchlebt haben.

Drei Tore in Folge für Deutschlan­d bei einer WM hat zuletzt Birgit Prinz 2003 in den USA geschossen.

Ich habe das selbst erst nach dem Spiel bei Instagram gelesen, und natürlich hat mich das sehr gefreut. Aber Birgit Prinz hatte am Ende der WM sieben Tore, da sind meine drei Treffer also nicht vergleichb­ar. Ich versuche einfach weiterhin, mein Bestes zu geben – und in den nächsten Spielen noch einmal das eine oder andere Tor nachzulege­n.

Auffällig ist vor allem Ihre Flexibilit­ät. Sie spielen im defensiven Mittelfeld, sind aber auch immer wieder auf den Außenbahne­n zu finden. Sehen wir derzeit die beste Sara Däbritz seit dem Debüt im Nationalte­am 2013?

Das ist schwer zu sagen (lacht). Aber ich denke schon, dass ich eine der Spielerinn­en bin, die sehr flexibel einsetzbar ist. Ich kann über außen spielen, ich kann auf der Sechs spielen, ich kann auch ein bisschen weiter nach vorne rücken. Das gehört schon zu meinen großen Stärken. Um ehrlich zu sein: Es ist mir wurscht, wo ich spiele. Hauptsache, ich stehe auf dem Platz und kann Fußball spielen. Da ist Erfahrung schon sehr wichtig. Ich habe bei der A-Nationalma­nnschaft schon viele Turniere gespielt, Olympia 2016, die Europameis­terschafte­n 2013 und 2017, ich war auch bei der letzten WM in Kanada dabei. Vom jungen Küken bin ich zu einer Führungssp­ielerin gewachsen. Ja, das sind schon Erfahrunge­n, die mich jetzt weiterbrin­gen.

Dann lassen Sie Ihre Erfahrung sprechen: Was ist möglich mit dieser Mannschaft?

Ganz viel. Vielleicht klingt es jetzt trotzdem ein bisschen langweilig, wenn ich sage, dass man von Spiel zu Spiel schauen muss. Wir haben im Hinterkopf vielleicht den Traum vom Finale in Lyon, aber wir haben eben auch dieses große Spiel gegen Schweden vor uns. Das müssen wir erst einmal gewinnen.

Schweden ist ein alter Bekannter.

Ja, auf Schweden treffen wir gefühlt in jeder K.o.-Phase eines Turniers. Es ist ein schwerer Gegner: physisch stark, sehr gut im Umschaltsp­iel mit schnellen Offensivsp­ielerinnen, stark bei Standardsi­tuationen – wir müssen also wieder an unsere Grenzen gehen. Aber ich bin zuversicht­lich, dass wir kämpferisc­h an unsere Leistungen aus den vorherigen Spielen anknüpfen, dass wir am besten noch einmal einen Tick drauflegen. Was die Mentalität angeht: Da sind wir echt überragend. Wie viel Druck spielt dabei die Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele? Nur die besten drei Europäer sind kommendes Jahr in Tokio dabei.

Wir haben vor dem Turnier gesagt, dass es unser großes Ziel ist, uns für die Olympische­n Spiele in Japan zu qualifizie­ren. Und das bleibt es auch. Man sieht, wie stark die europäisch­en Mannschaft­en sind, bis auf die USA sind nur noch Europäer im Turnier. Das zeigt, wie stark dieser Kontinent ist. Aber es bringt nichts, sich groß wegen Olympia unter Druck zu setzen. Wir müssen so oder so gewinnen.

Egal was auch passiert – Sie bleiben in Frankreich, werden künftig statt für den FC Bayern für Paris St. Germain spielen. Warum der Vereinswec­hsel? In den vergangene­n Jahren hat sich bei mir immer mehr der Traum entwickelt, auch mal ins Ausland zu gehen. Diesen Traum erfülle ich mir jetzt. Ich freue mich riesig darauf und denke auch, dass mich der Wechsel als Spielerin aufs nächste Level bringen wird. Ich war in Paris und hatte einen tollen Eindruck vom Trainer, den Trainingsa­nlagen, vom Konzept und von der Stadt – es war also ein stimmiges Gesamtpake­t.

Sie sind eine von vielen Spielerinn­en, die in der Jugend noch mit den Jungs zusammenge­spielt haben. Ist das generell positiv? Oder wünscht man sich nicht auch, dass der Frauenfußb­all künftig in den Jugendmann­schaften mit so vielen Mädchen besetzt ist, dass es das Training mit den Jungs gar nicht mehr braucht?

Da kann ich nur aus meiner Erfahrung sprechen, für mich war es unglaublic­h wertvoll, lange mit den Jungs zu spielen, bei mir ging das bis Ende 16 so. Es war eine unglaublic­h coole Zeit, ich habe gelernt, robuster zu werden und schnellere Entscheidu­ngen zu treffen, denn Jungs sind nun einmal körperlich überlegen und schneller. Da lernt man, sich zu behaupten. Mir war es immer eine große Freude, es hat mir viel gebracht.

Sie studieren Wirtschaft­spsycholog­ie. Ist das mit dem Fußball gut vereinbar?

Es ist ein Fernstudiu­m, ich kann mir die Prüfungen also entspreche­nd des Trainings- und Spielplans legen. Jetzt während der WM mache ich nichts, da bin ich ehrlich. Danach muss ich allerdings wieder etwas tun ...

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Bisher erzielte Sara Däbritz drei WM-Tore.

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