Thüringische Landeszeitung (Jena)
Streit um Höckes Personenschutz
Der Eichsfelder Landrat setzt Polizisten in nichtöffentlicher Sitzung vor die Tür. AfD-Chef protestiert
Heiligenstadt/Erfurt. Bis zum Eklat dauert es zwei Stunden. In der konstituierenden Sitzung im Kreistag des Landkreises Eichsfeld hat Landrat Werner Henning (CDU) gerade die nichtöffentliche Sitzung aufgerufen.
In Reihe zwei auf der linken Seite haben sechs Abgeordnete der AfD Platz genommen. Es ist die Sitzreihe, die in der vorherigen Legislatur die Linkspartei besetzt hatte. Die bildet aber eine Fraktion mit SPD und Grünen, sitzt unmittelbar davor.
Zur AfD-Fraktion gehört der Thüringer Landeschef Björn Höcke, der auch die Fraktion im Landtag führt. Höcke wohnt im Eichsfeld und kandidierte erstmals für das Lokalparlament. In der ersten Sitzung am Mittwoch wird sein Auftritt mit Spannung erwartet. Wie geht er mit Thorsten Heise von der rechtsextremen NPD um? Ihnen wird eine Nähe nachgesagt, die offenbar weit über eine Bekanntschaft hinaus geht, die auf den gemeinsamen Schulbesuch der Kinder zurückzuführen wäre. Höcke soll als Landolf Ladig Texte für Heises rechtsextreme Zeitschriften verfasst haben. Er bestreitet das, setzte sich dagegen bisher juristisch nie zur Wehr – trotz häufiger Rechtsbeistandssuche in anderen Fällen.
Heise und Höcke würdigen sich keines Blickes. Kein Handschlag. Kein Nicken. Wenn Heise im Kreistagssaal zur Wahlurne schreitet – es werden an dem Tag zahlreiche Gremien besetzt –, dann bleibt Höcke demonstrativ sitzen. Sitzt Heise, steht Höcke auf. Gemeinsame Bilder, so der Eindruck, sollen unter allen Umständen vermieden werden.
Die Stimmung im Sitzungssaal ist aufgeladen. Überregionale Medien interessieren sich plötzlich für Provinzpolitik.
Im letzten Punkt der öffentlichen Tagesordnung nutzt SPDMann Heinz Funke die Gelegenheit, deutlich zu machen, dass seine Fraktion – Linke und Grüne gehören dieser ebenfalls an – mit ihm, Höcke, nicht zusammenarbeiten werde. Funke argumentiert mit Höckes Skandaläußerungen unter anderem zum Holocaust-Mahnmal in Berlin, das Höcke als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte, oder der Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“. Die beiden Personenschützer des Landeskriminalamtes, die Höcke begleiten, bezeichnet der SPD-Mann dann noch als „waffentragende Pistoleros“. Tags darauf rudert er zurück, dass es nicht sein Ansinnen gewesen sei, Polizeibeamte zu schmähen. Der Landesverband der SPD und Innenminister Georg Maier (SPD) verurteilen die Äußerung ihres Genossen ebenfalls scharf. „Ich lasse da keine Luft dran. Polizisten zu beleidigen, das geht nicht“, sagt Maier. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Kai Christ, fordert eine Entschuldigung bei den Beamten. „Ich finde es eine bodenlose Frechheit, sich über Beamte der Thüringer Polizei so zu äußern“, sagt er.
Um beide Personenschützer geht es auch, als es zum Eklat kommt. Im nichtöffentlichen Teil fordert Landrat Werner Henning (CDU) nach einem Antrag von SPD-Mann Funke, dass beide Polizisten den Raum verlassen. Höcke protestiert. Er sei als Schutzperson eingestuft, deshalb müssten die Personenschützer bleiben. Der Landrat aber setzt sich durch, woraufhin Höckes Fraktion die Sitzung unter Protest verlässt. „Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ich als Schutzperson mein freies Mandat nicht ausüben kann“, sagt Höcke. Er wirft Henning parteiische Sitzungsleitung vor, wolle Rechtsmittel prüfen. Henning reagiert darauf gelassen. „Ich habe allemal das Hausrecht“, gibt er zu Protokoll.
Und die Personenschützer? Die hätten nicht zwingend im Raum bleiben müssen. Die Einschätzung der beiden Beamten sei gewesen, dass sie ihren Auftrag auch erfüllen können, wenn sie vor der Tür warten. Das sagt Innenminister Georg Maier (SPD) auf Anfrage. Zudem fügt er an, dass selbst bei der Innenministerkonferenz „die Männer nicht mit im Raum sind“. Maier weiter: „Wenn Herr Höcke meint, dass er die Personenschützer politisch instrumentalisieren kann, hat er eine Grenze überschritten. Er hat sich selbst in seine Situation, die ihn zur Schutzperson hat werden lassen, hineingehetzt.“
Interessant ist auch: Bei den nichtöffentlichen Sitzungen der Landesmedienanstalt warten Höckes Personenschützer stets vor der Tür – aufgeregt habe er sich darüber noch nie, bestätigt ein Ausschussmitglied der Landesmedienanstalt.
Heftige Kritik an SPD-Äußerung zu Polizei