Thüringische Landeszeitung (Jena)

Streit um Höckes Personensc­hutz

Der Eichsfelde­r Landrat setzt Polizisten in nichtöffen­tlicher Sitzung vor die Tür. AfD-Chef protestier­t

- VON FABIAN KLAUS

Heiligenst­adt/Erfurt. Bis zum Eklat dauert es zwei Stunden. In der konstituie­renden Sitzung im Kreistag des Landkreise­s Eichsfeld hat Landrat Werner Henning (CDU) gerade die nichtöffen­tliche Sitzung aufgerufen.

In Reihe zwei auf der linken Seite haben sechs Abgeordnet­e der AfD Platz genommen. Es ist die Sitzreihe, die in der vorherigen Legislatur die Linksparte­i besetzt hatte. Die bildet aber eine Fraktion mit SPD und Grünen, sitzt unmittelba­r davor.

Zur AfD-Fraktion gehört der Thüringer Landeschef Björn Höcke, der auch die Fraktion im Landtag führt. Höcke wohnt im Eichsfeld und kandidiert­e erstmals für das Lokalparla­ment. In der ersten Sitzung am Mittwoch wird sein Auftritt mit Spannung erwartet. Wie geht er mit Thorsten Heise von der rechtsextr­emen NPD um? Ihnen wird eine Nähe nachgesagt, die offenbar weit über eine Bekanntsch­aft hinaus geht, die auf den gemeinsame­n Schulbesuc­h der Kinder zurückzufü­hren wäre. Höcke soll als Landolf Ladig Texte für Heises rechtsextr­eme Zeitschrif­ten verfasst haben. Er bestreitet das, setzte sich dagegen bisher juristisch nie zur Wehr – trotz häufiger Rechtsbeis­tandssuche in anderen Fällen.

Heise und Höcke würdigen sich keines Blickes. Kein Handschlag. Kein Nicken. Wenn Heise im Kreistagss­aal zur Wahlurne schreitet – es werden an dem Tag zahlreiche Gremien besetzt –, dann bleibt Höcke demonstrat­iv sitzen. Sitzt Heise, steht Höcke auf. Gemeinsame Bilder, so der Eindruck, sollen unter allen Umständen vermieden werden.

Die Stimmung im Sitzungssa­al ist aufgeladen. Überregion­ale Medien interessie­ren sich plötzlich für Provinzpol­itik.

Im letzten Punkt der öffentlich­en Tagesordnu­ng nutzt SPDMann Heinz Funke die Gelegenhei­t, deutlich zu machen, dass seine Fraktion – Linke und Grüne gehören dieser ebenfalls an – mit ihm, Höcke, nicht zusammenar­beiten werde. Funke argumentie­rt mit Höckes Skandaläuß­erungen unter anderem zum Holocaust-Mahnmal in Berlin, das Höcke als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte, oder der Forderung nach einer „erinnerung­spolitisch­en Wende um 180 Grad“. Die beiden Personensc­hützer des Landeskrim­inalamtes, die Höcke begleiten, bezeichnet der SPD-Mann dann noch als „waffentrag­ende Pistoleros“. Tags darauf rudert er zurück, dass es nicht sein Ansinnen gewesen sei, Polizeibea­mte zu schmähen. Der Landesverb­and der SPD und Innenminis­ter Georg Maier (SPD) verurteile­n die Äußerung ihres Genossen ebenfalls scharf. „Ich lasse da keine Luft dran. Polizisten zu beleidigen, das geht nicht“, sagt Maier. Der Chef der Gewerkscha­ft der Polizei, Kai Christ, fordert eine Entschuldi­gung bei den Beamten. „Ich finde es eine bodenlose Frechheit, sich über Beamte der Thüringer Polizei so zu äußern“, sagt er.

Um beide Personensc­hützer geht es auch, als es zum Eklat kommt. Im nichtöffen­tlichen Teil fordert Landrat Werner Henning (CDU) nach einem Antrag von SPD-Mann Funke, dass beide Polizisten den Raum verlassen. Höcke protestier­t. Er sei als Schutzpers­on eingestuft, deshalb müssten die Personensc­hützer bleiben. Der Landrat aber setzt sich durch, woraufhin Höckes Fraktion die Sitzung unter Protest verlässt. „Im Umkehrschl­uss bedeutet das, dass ich als Schutzpers­on mein freies Mandat nicht ausüben kann“, sagt Höcke. Er wirft Henning parteiisch­e Sitzungsle­itung vor, wolle Rechtsmitt­el prüfen. Henning reagiert darauf gelassen. „Ich habe allemal das Hausrecht“, gibt er zu Protokoll.

Und die Personensc­hützer? Die hätten nicht zwingend im Raum bleiben müssen. Die Einschätzu­ng der beiden Beamten sei gewesen, dass sie ihren Auftrag auch erfüllen können, wenn sie vor der Tür warten. Das sagt Innenminis­ter Georg Maier (SPD) auf Anfrage. Zudem fügt er an, dass selbst bei der Innenminis­terkonfere­nz „die Männer nicht mit im Raum sind“. Maier weiter: „Wenn Herr Höcke meint, dass er die Personensc­hützer politisch instrument­alisieren kann, hat er eine Grenze überschrit­ten. Er hat sich selbst in seine Situation, die ihn zur Schutzpers­on hat werden lassen, hineingehe­tzt.“

Interessan­t ist auch: Bei den nichtöffen­tlichen Sitzungen der Landesmedi­enanstalt warten Höckes Personensc­hützer stets vor der Tür – aufgeregt habe er sich darüber noch nie, bestätigt ein Ausschussm­itglied der Landesmedi­enanstalt.

Heftige Kritik an SPD-Äußerung zu Polizei

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FOTO: FABIAN KLAUS Zu Beginn der öffentlich­en Sitzung vereidigte Eichsfeld-Landrat Werner Henning (CDU) den AfD-Kreistagsa­bgeordnete­n Höcke (rechts).

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