Thüringische Landeszeitung (Jena)
Tonfall gegenüber Stadt und Politik auch in Jena rauer
Beleidigung, Hass, Bedrohung nehmen zu. Rathaus-Wachtmeisterei keine Option
Jena. Hass und Bedrohung gegenüber Verwaltung und Politik. Das Thema erlangte noch mehr Gewicht, seit ein Neonazi den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet hat. Oder seit am Mittwoch Bombendrohungen in den Rathäusern von Erfurt und Zwickau eingegangen sind. Und doch dreht Katharina KönigPreuss den Spieß erst einmal um.
Die Jenaer Stadträtin und Linken-Landtagsabgeordnete ist als Streiterin gegen den Rechtsextremismus bekannt und in großem Maß selbst Zielscheibe von Hass und Morddrohungen. Gleichwohl sagte sie im Gespräch mit unserer Zeitung: „Öffentlichkeit ist auch ein Schutz.“Insofern finde sie es schwierig, wenn der Fokus in der Frage der Bedrohung nicht auf weniger bekannten Leuten liegt, „die tagtäglich Angriffen“ausgesetzt sind etwa durch Neonazis. Und auf sich selbst geschaut: „Nach der 30. Morddrohung wird es, zynisch gesagt, langweilig.“Sie habe gar nicht jeden dieser Vorgänge zur Anzeige gebracht, weil die Polizei den verschlüsselten Absendern gar nicht nachzukommen vermöge. „Es wäre aber falsch zu sagen, dass es einen nicht beeinflusst.“
An bestimmten Tagen fahre sie nicht mit dem Zug von Saalfeld (wo sie ihr AbgeordnetenBüro hat) nach Jena. „Und wenn es nicht ohne Zug geht, fahre ich nicht allein.“Andererseits ist König-Preuss in der Ansage gegen Rechts klar geblieben. „Beleidigung, Hass und Bedrohung haben das Ziel, dass jemand aus dem politischen Engagement, aus einer Haltung rausgeht.“ Die 41-Jährige sagte, dass sie seit den frühen Neunzigerjahren mit Attacken von der Rechtsaußenfront lebe. Etwa seit 2014 dringe der Hass auch aus anderen gesellschaftlichen Schichten. Wen der Hass treffe, für den sei es wichtig, „dass sich andere solidarisch zeigen“, sagte Katharina König-Preuss. „Ich glaube, dass das mehr Betroffene durchstehen, wenn sie Unterstützung aus der Gesellschaft erfahren.“
Gefühlt sei der Ton gegenüber den Mitarbeitern der Jenaer Stadtverwaltung „in den zurückliegenden fünf, sechs Jahren rauer geworden“, sagte gegenüber dieser Zeitung Martin Pfeiffer, Leiter des Fachbereiches Recht und Personal. „Erstaunlich burschikos“sei die Ansprache mitunter. Über 90 Prozent der Leute wüssten sich zwar zu benehmen. Doch werde auch gedroht – die Versprechung inbegriffen, dass der Adressat Schaden nehmen könnte, gleichwohl die Zahl der Fälle, in denen Mitarbeitern Ängste beschert wurden, „nicht deutlich“größer geworden sei. Besonders hart werde der „Eingriffsverwaltung“Paroli geboten, erläuterte Martin Pfeiffer. Beispiel Jugendamt, wenn Eltern das Sorgerecht für Kinder entzogen werden muss.
Mit schöner Regelmäßigkeit stelle sein Ressort wegen Drohungen und Beleidigungen Strafanzeigen, die nur zu oft im Nichts enden würden. Tatsächlich habe sich der juristische Spielraum für die gerade noch lässliche Beleidigung vergrößert. „So etwas wie den Hinweis, dass wir eine völlig unfähige und überbezahlte Verwaltung seien, müssen wir in der Regel hinnehmen“, sagte Pfeiffer.
Ist es aber nicht heikel, dass die meisten Amtsstuben wie auch die Büros des OB und der Dezernenten leicht von jedermann betretbar sind? – „Eine Wachtmeisterei wie vorm Amtsgericht mit Kontrollen wie am Flughafen werden wir nicht leisten können und wollen“, sagte Martin Pfeiffer. „Wir wollen uns nicht vor den Bürgern verschanzen.“Immerhin: Nach Pfeiffers Beschreibung gibt es Notknöpfe an den Computern, mit denen kollegiale Hilfe unauffällig herbeigerufen werden kann.
Im sozialen Netzwerk ist – was den Tonfall gegenüber der Verwaltung betrifft – der Anstandspegel gesunken, so schätzte Rathaus-Sprecherin Roswitha Putz ein. Facebook sei „nicht so das Problem“. Anders jedoch der Mängelmelder auf dem Internet-Portal der Stadt. „Da gibt es einen kleinen Teil von Leuten, die salopp gesagt alles sch... finden und einem die Pest an den Hals wünschen.“Da der Mängelmelder auch genutzt wurde, um „seltsame Ansichten zu verteilen“, veröffentliche die Stadt gemeldete Mängel seit 22. Mai nicht mehr ungeprüft. „Darauf gab es Androhungen, man werde uns verklagen, weil wir Zensur ausüben würden“, sagte Roswitha Putz. Und ja, es gebe auch Gewalt- und Morddrohungen. „Gelegentlich. Das ist nicht an der Tagesordnung. Wir führen keine Statistik darüber.“
„Wir wollen uns nicht vor Bürgern verschanzen.“