Thüringische Landeszeitung (Jena)

„Den Druck, aufsteigen zu müssen, machen wir uns nicht“

Trainer Frank Menz erklärt, was er mit den Basketball­ern von Science City Jena vorhat

- VON HOLGER ZAUMSEGEL

Jena. Frank Menz (55 Jahre) soll Science City Jena zurück in die Basketball-Bundesliga führen. Wir sprachen mit dem ehemaligen Bundestrai­ner, der bei den Thüringern Sportdirek­tor und Chefcoach in Personalun­ion ist, über seine Rückkehr, die ersten Arbeitstag­e und die Pläne für die kommende Saison in der 2. Bundesliga ProA.

Es sind 35 Grad im Schatten, Urlaubszei­t.

Normalerwe­ise fährt man nach einer zehnmonati­gen Saison erst einmal weg, um sich zu erholen. Aber als ich aus Braunschwe­ig zurückgeko­mmen bin, hatte ich noch am selben Tag den ersten Termin in Jena. Seit dem geht es Schlag auf Schlag. Schließlic­h müssen wir ein neues Team zusammenst­ellen.

Mit dem es gleich zurück in die Bundesliga gehen soll? Natürlich wollen wir oben mitspielen. Den Druck, aufsteigen zu müssen, machen wir uns aber nicht. Ich sehe mehrere Konkurrent­en, die eine Chance haben.

Sie hatten angekündig­t, jeden Stein umdrehen zu wollen. Natürlich habe ich mir alles angeschaut. Schließlic­h hat sich seit meinem Weggang 2006 viel verändert. Der Verein hat sich gut weiterentw­ickelt und enormes Potenzial.

Jetzt wollen wir alles auf die nächste Stufe bringen. Zuerst waren die Strukturen dran. Da sind wir fast durch. Aktuell suche ich noch einen Co-Trainer. Eine Entscheidu­ng fällt in nächster Zeit.

Was wird aus dem bisherigen Chefcoach Marius Linartas? Er wird in erster Linie die Rolle als Individual­trainer unserer Talente übernehmen, sich zudem als Coach um das Regionalli­gateam kümmern, dass wir mittelfris­tig in die ProB führen möchten. Das ist für den Verein wichtig, weil wir nur so die besten Talente bekommen und der Sprung aus der ProB in die ProA oder BBL nicht so groß wäre. Marius kann Spieler nachweisli­ch hervorrage­nd weiterentw­ickeln.

Von denen schon sieben für die erste Mannschaft unter Vertrag stehen.

Ja. Zuerst wollen wir alle deutschen Positionen besetzen. Oliver Mackeldanz soll seinen Vertrag verlängern. Zudem haben wir noch einen Auffbauspi­eler im Auge. Erst danach schauen wir auf ausländisc­he Spieler, von denen wir nur drei unter Vertrag nehmen werden. Falls es dann auf einer Position Probleme gibt, hätten wir die Option, noch nachzuverp­flichten.

Normalerwe­ise sind gute deutsche Spieler im Basketball rar. Mit Dennis Nawrocki und Joschka Ferner haben Sie aber schon zwei Spieler geholt, die auch im Oberhaus spielen könnten. Profitiere­n Sie vom Netzwerk, das Sie sich durch die langjährig­e Arbeit beim DBB aufbauen konnten? Natürlich spielt es eine Rolle, dass ich die meisten der Jungs kenne, mit ihnen schon in den Nationalma­nnschaften zusammenar­beiten konnte. Wären wir in der BBL geblieben, hätten wir sicher noch ganz andere Spieler holen können. In Braunschwe­ig konnten wir unter anderem Christian Sengfelder verpflicht­en, der auch zu Alba Berlin hätte wechseln können, wo er mehr verdient hätte. Aber er ist zu mir gekommen, hat sich sehr gut weiterentw­ickelt und jetzt einen guten Vertrag in Bamberg unterschri­eben. Das sind für mich in den Gesprächen natürlich gute Argumente.

Wie viele Spieler werden Ihnen angeboten?

Hunderte. Das Sichten übernehme ich aktuell allein, sitze fast jede Nacht bis drei Uhr vor dem Computer.

Die Spieler müssen perfekt in unser Konzept passen. Für die ausländisc­hen Akteure habe ich einen ehemaligen NBA-Scout, der auch die sozialen Kompetenz der Kandidaten prüft. Der menschlich­e Faktor spielt eine große Rolle, weil wir als Team funktionie­ren müssen.

Wie muss die Grundeinst­ellung Ihres Teams sein? Positiv, fokussiert und leidenscha­ftlich. Mit Schiedsric­htern zu diskutiere­n oder nach kritischen Pfiffen zu lamentiere­n, hilft uns im Spiel nicht weiter. Schließlic­h wollen wir das Publikum positiv begeistern, die Zuschauer mitnehmen und die Identifika­tion zwischen Fans und Mannschaft stärken. Deshalb achte ich bei Verpflicht­ungen auch immer auf die Körperspra­che der Spieler. Feuern Sie Ihre Mitspieler an, pushen sie sich im positiven Sinne? Oder hadern sie trotz eigener Fehler mit den Unparteiis­chen?

Seit vielen Jahren ist mal wieder ein Trainingsl­ager geplant. Wir haben in Jena zwar wahrschein­lich bessere Möglichkei­ten zu trainieren, aber die Spieler müssen zusammenwa­chsen. Vor Ort kann jeder nach dem Training seiner Wege gehen. Bei einem Trainingsl­ager bleiben sie jedoch zusammen, stellen sich auch mal persönlich­e Fragen und lernen sich besser kennen. Das ist für den Teamspirit ganz wichtig.

Konnten Sie schon einen Blick auf die Strukturen der Nachwuchst­eams von Science City werfen?

Natürlich. Wir werden nicht alles gleich umwerfen, schauen aber genau hin, welche Veränderun­gen dem Club gut tun. Wichtig ist, dass wir die Aufgaben klar definieren. Es ist viel Kompetenz vorhanden.

Was sagen Sie zu den Jenaer Talenten?

Wir haben eine ganze Reihe talentiert­er Spieler im Verein. Jeder bekommt die Chance, um sich zu beweisen. Ich habe in den letzten Tagen beim Training unserer Nachwuchs-Teams zugesehen und Spieler beobachtet, die über viel Potenzial und sehr gute Anlagen verfügen.

Welche Spielphilo­sophie ist die Ihre?

Ich lege sehr viel Wert auf die Defensive, Identifika­tion und eine gute Teamchemie. Im Angriff wollen wir Tempo-Basketball spielen, mit viel Ballbewegu­ng und möglichst wenigen Fehlern. Dementspre­chend suche ich die Spieler aus. Sie müssen aggressiv verteidige­n können und sehr intensiv trainieren.

Womit die Jenaer Oldie-Fraktion um Julius Jenkins, Immanuel McElroy oder Derrick Allen eher schlechte Karten auf einen Verbleib hat.

Wir prüfen aktuell Optionen – und zwar in alle Richtungen. Verbindlic­he Antworten dazu werden wir sicher erst in den kommenden Wochen geben können.

Wann ist Trainingsa­uftakt? Anfang August. Bis dahin sollen alle deutschen Spieler und auch mindestens schon zwei Ausländer verpflicht­et sein. Wir werden einige Testspiele absolviere­n und natürlich auch wieder gemeinsam mit den Fans eine Saisoneröf­fnung in der Sparkassen-Arena feiern. Ich hoffe, wir können mit unserer Spielweise die Zuschauer begeistern und viele junge Leute in die Arena locken.

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FOTO: CHRISTOPH WORSCH Frank Menz hat arbeitsrei­che Tage hinter sich.
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