Thüringische Landeszeitung (Jena)
Politik trifft auf Wirklichkeit
Politische Ankündigungen gehen oft leicht über die Lippen. Sie können beruhigend wirken. Ärgerlich wird es allerdings, wenn sie den Realitätscheck nicht bestehen.
Bei den Corona-Tests traf zumindest gestern noch Letzteres zu. Wer nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub auf Staatskosten einen Abstrich machen lassen wollte, konnte enttäuscht werden. Ein Test sei kein Problem, hieß es in mancher Praxis, aber bezahlen müsse man ihn schon selber.
Wie war das möglich? Hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht versprochen, dass jeder, der wollte, sich testen lassen könne, ohne dafür selbst ins Portemonnaie greifen zu müssen, weil der Bund alles übernehme? Und zwar selbst dann, wenn man nicht aus einem Risikogebiet kam.
Gehörte das nicht zu einer weiteren Vorsichtsmaßnahme, um Covid-19 einzudämmen und eine befürchtete zweite Welle möglichst klein zu halten?
So war es wohl.
Dumm nur, dass so ein Test in Wirklichkeit Geld kostet, Ärzte sich für blumige Worte eines Ministers nichts kaufen können und verständlicherweise ungern auf ihren Rechnungen sitzen bleiben. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass Mediziner mit Verweis auf die nicht vorliegende schriftliche Verordnung des Bundes die Patienten zur Kasse baten. Genauso verständlich ist allerdings das Unverständnis von Menschen, die Spahns Äußerungen zur Kostenübernahme im Ohr hatten.
In den kommenden Tagen, davon gehen Kassenärztliche Vereinigung und Thüringer Gesundheitsministerin aus, sind die Anlaufschwierigkeiten Vergangenheit, weil sowohl Praxen als auch Abstrichstellen für gebührenfreie Tests zur Verfügung stehen.
Bis dahin hilft nur Optimismus. Schließlich geht es immer noch um ein im schlimmsten Fall tödliches Virus, für das bislang kein Impfstoff gefunden wurde. e.otto@tlz.de