Thüringische Landeszeitung (Jena)

Trügerisch­e Sommerruhe

- Sibylle Göbel zur Aufarbeitu­ng des Awo-Skandals

Die Sommerruhe ist nur eine scheinbare. Denn während viele Haupt- und Ehrenamtli­che bei der Thüringer Arbeiterwo­hlfahrt jetzt erst einmal den wohlverdie­nten Urlaub genießen, drehen Wirtschaft­sprüfer bei der Awo-Tochterges­ellschaft AJS gGmbH quasi jeden Stein um. Es geht nicht nur darum, zu sehen, wer welche Verträge unterschri­eben hat. Es geht auch darum, die Abläufe zu durchdring­en und zu verstehen, wie es passieren konnte, dass sich ehemalige Führungsfi­guren die Taschen derart voll machen konnten, wie es bei der AJS der Fall war.

Parallel dazu steht der teils neu besetzte Landesvors­tand vor der Herausford­erung, die Thüringer Awo neu aufzustell­en und verloren gegangenes Vertrauen zurückzuge­winnen. Eine Herkulesau­fgabe. Erste Ergebnisse sollen im September vorliegen.

Dass der Landesverb­and bei all dem nicht allein gelassen wird, ist genauso wichtig, wie das Schuldeing­eständnis des Bundesverb­andes überfällig war. Klar: Die Thüringer Awo ist derzeit nicht dessen einzige Baustelle. Auch die Awo in Mecklenbur­g-Vorpommern und Hessen wird von Finanzskan­dalen erschütter­t. Doch nirgends sonst war die Awo-Bundesspit­ze derart mit Blindheit geschlagen wie in Thüringen: Nicht nur, dass man schon bei der Prüfung 2017 lieber nicht so genau hinschauen wollte. Man nahm die in die Kritik geratenen Manager auch nicht enger an die Leine und ihnen stattdesse­n ohne Nachkontro­lle ab, alles schon in Ordnung gebracht zu haben.

Die Bundesspit­ze hofft nun, dass die Aufarbeitu­ng in Thüringen so radikal erfolgt, dass sie nicht nur den guten Ruf der Awo hierzuland­e wieder herstellt, sondern auch für andere beispielge­bend sein kann. Sollte sich jedoch herausstel­len, dass an den Verträgen der beurlaubte­n Manager tatsächlic­h nicht zu rütteln ist, ist das Problem, das die Awo hat, größer denn je.

s.goebel@tlz.de

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