Thüringische Landeszeitung (Jena)
Frühjahr 1945: Thüringen unterm Sternenbanner
Für die meisten Thüringer ist der Krieg im Frühjahr 1945 bereits einen Monat früher zu Ende, als in anderen Teilen des Reiches, wie beispielsweise im stark umkämpften Berlin. In nur 16 Tagen hatten die Amerikaner die verbliebenen Wehrmachtsund Volkssturmeinheiten und die SS überrannt und waren bis nach Westsachsen an die Zwickauer Mulde vorgedrungen.
Federführend ist dabei die Dritte US-Armee, die Ende März 1945 an der Westgrenze Thüringens steht und anschließend schnell vorstößt. In den ersten Apriltagen werden Gotha und Ohrdruf erreicht, anschließend stehen amerikanische Einheiten auch südlich des Thüringer Waldes an der Linie Schmalkalden – Suhl – Meiningen. Nach kurzem Halt, um weitere Verstärkung zusammenzuziehen, wird am 12. April Erfurt und Weimar, einen Tag später auch Jena besetzt.
Kurz zuvor war das KZ Buchenwald befreit worden, wo sich den vorrückenden Amerikanern ein Bild des Schreckens bietet. Dennoch können rund 21.000 Häftlinge aus den Händen der SS gerettet werden. Nachdem der US-General George S. Patton das Lager besichtigt hatte, befiehlt er mindestens 1000 Weimarern, sich das Lager und die toten Insassen anzusehen.
Bis zum 16. April ist auch der Osten Thüringens besetzt. Anschließend steht Thüringen für wenige Monate unter dem amerikanischen Sternenbanner.
Da sich die Alliierten bereits 1944 im Fall der deutschen Kapitulation auf die zukünftigen Besatzungszonen geeinigt hatten, ist der Aufenthalt der Amerikaner von vornherein als vorübergehend gedacht. Thüringen sollte eigentlich an die Sowjets fallen, allein ihr militärischer Erfolg bringen die USA nun in die Rolle als Besatzungsmacht.
Zunächst üben speziell geschulte US-Offiziere vor Ort die vollziehende Gewalt aus, die zivile Administration wird zahlreichen Vorschriften unterworfen. Erst Anfang Juni gibt es für die neugeschaffene „Provinz Thüringen“ein „Military Government Detachment“, also eine eigens geschaffene Militärregierung, nachdem zuvor in den besetzten Gebieten 34 lokale Militärregierungen existierten.
Die Alliierten schaffen so ein völlig neues Staatsgebilde, dass Thüringen im heutigen Sinne vereint.
Denn nun gehören etwa die preußischen Teile wie der Regierungsbezirk Erfurt oder Schmalkalden ebenso zum neuen Staat, wie auch einige westsächsische Gebiete (Vogtland bis Zwickau), die von den Amerikanern besetzt wurden. Das Ziel, das die Väter der Landesgründung 1919 verfolgten, ist nun erst Wirklichkeit geworden.
Oberstes Ziel der Amerikaner ist es anschließend, die Verwaltung zu reformieren. Zunächst wird der Beamtenapparat auf die neuen Machthaber verpflichtet, eine Entnazifizierung findet erst später statt. Mit dem Neuaufbau der Verwaltung wird dann der einstige Ministerialbeamte und Jurist Hermann Brill (SPD) beauftragt. Anfang Mai 1945 werden ihm die Geschäfte des Thüringer Staatsministeriums übertragen, einen Monat später wird Brill zum Präsidenten der „Provinz Thüringen“gemacht.
Ihm und seiner provisorischen Regierung stehen allerdings schwierige Zeiten und vor allem noch schwierigere Aufgaben bevor, da das öffentliche Leben in Thüringen nahezu zusammengebrochen ist. Eine Normalisierung scheint noch in weiter Ferne.
Anfang Juli 1945 vollzieht sich dann der Besatzerwechsel, womit diese kurze Episode amerikanischer Herrschaft über Thüringen endet.