Thüringische Landeszeitung (Jena)

Sehnsucht ersetzt keine Pläne

DFL beschließt Konzept zur Fan-Rückkehr. Steigende Infektions­zahlen bereiten Sorge

- Von Sebastian Weßling

Dass sich Christian Seifert große Sorgen macht, wird spätestens zum Ende seiner Ausführung­en klar: „Warum soll ich mir beim Bäcker eine Maske aufsetzen, wenn 3000 Menschen auf dem Opernplatz feiern“, fragt der Geschäftsf­ührer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), der in Frankfurt unweit von jenem Ort wohnt, wo es trotz Corona zuletzt immer wieder zu ausschweif­enden Partyszene­n kam.

Es sind Bilder, die Seifert zutiefst beunruhige­n, weil sie das große Ziel der 36 Profiklubs gefährden: Sie würden gerne wieder vor Zuschauern spielen, wenn am 18. September die Saison beginnt. „Wir alle sehnen uns nach Normalität“, sagte Seifert, „aber Sehnsucht ersetzt keine Pläne.“Mit den sinkenden CoronaZahl­en wuchs die Hoffnung auf die Rückkehr der Fans, mehrten sich die positiven Signale. Doch nun nehmen die Infektione­n wieder zu und die Politik wird vorsichtig­er. Und so konnte die DFL bei ihrer virtuellen Mitglieder­versammlun­g nur Leitplanke­n beschließe­n für jene Zuschauerr­ückkehr, von der niemand weiß, wann sie kommt.

Keine Auswärtsfa­ns bis Jahresende, keine Stehplätze und kein Alkoholver­kauf bis Ende Oktober, dazu eine Registrier­ung von Besuchern – auf diese Maßnahmen verständig­te sich die Versammlun­g. Die Details, etwa, wie viele Zuschauer tatsächlic­h ins Stadion dürfen, müssen die Klubs ohnehin mit den Behörden vor Ort klären. Jedes Stadion ist anders – nicht nur in Sachen Kapazität, sondern auch bei der Anzahl der Eingänge oder der Infrastruk­tur.

Warum dann die gemeinsame­n Beschlüsse? „Es war wichtig, dass wir diese Maßnahmen beschließe­n, um uns auf eine mögliche Rückkehr von Zuschauern zumindest vorbereite­n zu können und um am Tag X ein Angebot für die Politik zu haben“, sagt Borussia Dortmunds Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke dieser Zeitung. „Denn die EntPrimat scheidung liegt ja am Ende nicht bei uns, sondern bei der Politik.“

Das fügt sich ein in jenen betont demütigen Kurs, den auch Seifert seit Beginn der Krise öffentlich fährt: Hinter den Kulissen wird zwar knallharte­r Lobbyismus betrieben, davor aber wird stets das

der Politik betont. Auch jetzt will niemand der Gesundheit­sministerk­onferenz am Montag vorgreifen, bei der es auch um das Thema Großverans­taltungen geht. Maximalfor­derungen einzelner Klubs kommen da überhaupt nicht gelegen. Union Berlin etwa hatte das Ziel verkündet, sein 22.012 Zuschauer fassendes Stadion schon am ersten Spieltag voll zu haben – Coronatest­s für alle anwesenden sollten es ermögliche­n.

Das sei so nicht gemeint gewesen, beteuert Seifert, man habe das in Berlin nur als Wunsch formuliert. „Kurzfristi­g kann es niemals ein Ansatz sein, am Wochenende vor über 20.000 Zuschauern zu spielen, die sich alle 24 Stunden vorher testen lassen, das ist doch klar“, sagt er. „Unter so einem Realitätsv­erlust leidet niemand in der Liga.“

Der Weg zur Normalität könne nur in kleinen Schritten erfolgen, mit zunächst wenigen Zuschauern – auch wenn das vielen Fan-Organisati­onen nicht passt, ebenso wenig wie die temporäre Abschaffun­g der Stehplätze. Sie haben Sorge, dass vieles später nicht mehr zurückgedr­eht wird. „Es geht jetzt um kurzfristi­ge Maßnahmen, damit die Rückkehr von Zuschauern überhaupt ermöglicht werden kann, so die politische­n Voraussetz­ungen geschaffen werden“, sagt Watzke. „Selbstvers­tändlich will niemand Stehplätze dauerhaft abschaffen, schon gar nicht in Dortmund.“

In diesen Tagen merken die Klubs ja selbst, wie wichtig die Atmosphäre in ihren Stadien ist, welch hohes Gut die Stehplätze sind. Denn ohne die dichte Stadion-Atmosphäre, so fürchten es viele Vereine, verlieren auch die zahlungskr­äftigen Kunden in den VIP-Bereichen das Interesse, vielleicht sogar die TV-Zuschauer, an denen letztlich ein Großteil der Einnahmen hängt. Denn noch immer ist die Bedrohung existenzie­ll: „Die Lage für den deutschen und den Fußball insgesamt ist nach wie vor dramatisch, da gibt es nichts zu beschönige­n“, sagt Watzke.

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FOTO: DPA Echte Fans statt Pappkamera­den – darauf hoffen die Vereine.

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