Thüringische Landeszeitung (Jena)

Gold-Rosi

Einst erhielt sie 27.000 Briefe in einem Monat: Rosi Mittermaie­r, Doppel-Olympiasie­gerin 1976 und erstes Glamourgir­l des Winterspor­ts, wird 70

- Von Jan Kanter

Wer die vergleichs­weise kurze Karriere der Skiläuferi­n Rosi Mittermaie­r erlebte, sah eine bodenständ­ige Sportlerin, die nach drei Medaillen zum ersten deutschen Glamourgir­l Olympische­r Winterspie­le befördert wurde. Zwar gab es auch zuvor Heldenvere­hrung, aber die Maschineri­e medialer Vermarktun­g hatte erst während der Sommerspie­le 1972 in München so richtig Fahrt aufgenomme­n.

Die Präsenz auf den Titelseite­n nach den 1976er-Innsbruck-Medaillen war für die damals 25-Jährige erschrecke­nd, das Interesse mindestens überrasche­nd: „Im Olympische­n Dorf habe ich Badewannen voller Blumen bekommen“, erinnert sich Mittermaie­r. In ihrem Heimatörtc­hen Reit im Winkl seien in einem Monat mehr als 27.000 Briefe angekommen.

Auch wegen des nicht enden wollenden Rummels wurde es eine kurze Karriere. Bereits wenige Monate nach den Olympiasie­gen in der Abfahrt und im Slalom sowie der Silbermeda­ille im Riesenslal­om trat die Sportlerin, deren Mann, der Skiläufer Christian Neureuther, sie angeblich einmal als „Leistungss­portlerin ohne Ehrgeiz“bezeichnet­e, vom Sport zurück. „Ich war auf einmal mit fremden, älteren Menschen, wie Firmenchef­s auf Messen, in Sporthäuse­rn oder mit wichtigen Kunden beim Abendessen. Ich war ja erst 25 und sehnte mich nach nichts mehr als nach meinem gewohnten Umfeld“, sagt Mittermaie­r heute über ihren frühen Rückzug.

Vermutlich konnte sie nur hier, in ihrer bayrischen Heimat richtig aufblühen. Mit ihrer Tochter Ameli (39), einer heute in München lebenden Modedesign­erin. Und mit Sohn Felix (36), der nach dem Ende seiner erfolgreic­hen Slalom-Karriere mit Gattin Miriam, einer früheren Langläufer­in sowie Biathletin, und den beiden Kindern gern in Garmisch-Partenkirc­hen geblieben ist.

Die Menschen schlossen Mittermaie­r auch deshalb in ihr Herz, weil sie wie kaum eine andere Deutsche die heile Welt personifiz­iert. Das gilt bis heute, gerade weil sie von Bayern aus sich immer wieder in die Welt aufmacht. Die abgeschied­ene Bergwelt ist dabei mehr Anker als Fessel. Auch Jahrzehnte nach ihrem sportliche­n Erfolg tingelt sie durch Fernsehsho­ws, meist als infernalis­chfröhlich­es Duo mit ihrem Ehemann. Gemeinsam reden sie, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, wirken dabei volkstümli­ch, aber eben nie naiv.

Es wäre ein Fehler, die Sportlerin wegen ihres konsequent natürliche­n Auftretens zu unterschät­zen. Sie vermarktet­e ihren Sieg zu ihren Bedingunge­n, mit Werbung, Medienpräs­enz oder PR-Terminen auf dem Oktoberfes­t. Sie veröffentl­ichte Sportratge­ber, etwa über Nordic Walking und Skifahren.

Weil sie aber erkennbar nicht gierig wirkte, sich früh sozial engagierte, unter anderem eine eigene Stiftung für Kinderrheu­ma aufbaute, gehört Mittermaie­r zu den wenigen Promis, deren häufige Präsenz ganz ohne Häme begleitet wird.

Und es hat Gewicht, wenn sie sich ernsthaft zu Fragen der Zeit äußert: „Es muss nicht alles immer noch größer und gigantisch­er werden“, kritisiert sie Vermarktun­g Olympias. Auch bei den Skirennen gebe es eine Fülle an Wettkämpfe­n, die unüberscha­ubar sei. „Es wäre toll, wenn man sich auf mehr Highlights konzentrie­ren könnte.“Da ist sie wieder, die heimatverb­undene Bayerin, die sich trotzdem gerne in das Geschehen der Welt einmischt.

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FOTO: DPA Die ehemalige Skirennläu­ferin Rosi Mittermaie­r.

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