Thüringische Landeszeitung (Jena)

Opfer geraten in Fokus der Ermittler

Herrenberg-Übergriff: Drei Männer aus Guinea sollen einen der Tatverdäch­tigen zusammenge­schlagen haben

- Von Fabian Klaus

Hans-Jürgen Czentarra möchte am liebsten nicht sprechen. Der Ortsteilbü­rgermeiste­r vom Erfurter Herrenberg wirkt erschöpft. „Ich habe jahrelang auf die Probleme hingewiese­n“, sagt er dieser Zeitung. Jetzt halte er sich zurück. „Ich bin gefährdet“, sagt der 70-Jährige. Was er meint? Das rechtsextr­eme Kampfsport­zentrum, das mindestens seit 2015 in seinem Stadtteil existiert, und dessen Protagonis­ten.

Nach dem fremdenfei­ndlichen Übergriff am Wochenende rückt der Herrenberg im Erfurter Südosten in den Fokus. Drei Männer aus Guinea waren verletzt worden. Zwölf Personen aus dem Umfeld des rechtsextr­emen Kampfsport­zentrums gelten als tatverdäch­tig.

Jetzt wird allerdings auch gegen die drei Männer aus Guinea wegen Körperverl­etzung ermittelt. Das berichtet der MDR unter Berufung auf einen Sprecher der Erfurter Staatsanwa­ltschaft. Auf Anfrage dieser

Zeitung erklärte der Behördensp­recher, dass einer der Beschuldig­ten behaupte, „von den drei Geschädigt­en angegriffe­n worden zu sein“.

Dass einer der zwölf Tatverdäch­tigen erheblich verletzt wurde geht bereits aus Polizeiunt­erlagen hervor, die dieser Zeitung vorliegen. Demnach könnte sich der Tatablauf so gestaltet haben: Die drei Männer trafen auf dem Weg in ihre Asylbewerb­erunterkun­ft auf den später verletzten 20-Jährigen. Der provoziert­e sie verbal, woraufhin diese den Mann heftig zusammensc­hlugen. Der organisier­te elf weitere Personen zur Hilfe, die dann den 21Jährigen und seine zwei 18-jährigen Begleiter – sie alle sollen nach Informatio­nen dieser Zeitung der Polizei wegen Drogendeli­kten bekannt sein – zum Teil schwer verletzten.

Der Fall hat politisch für Aufsehen gesorgt, weil Thüringens Innenminis­ter Georg Maier (SPD) kritisiert hatte, dass die Tatverdäch­tigen wieder auf freien Fuß kamen. Dafür gab es wiederum Kritik vom Thüringer Richterbun­d am Minister.

Der innenpolit­ische Sprecher der AfD-Fraktion, Ringo Mühlmann, erklärte: „Die Strafverfo­lgungsbehö­rden haben nach Recht und Gesetz gehandelt. Weil gegen die Beschuldig­ten keine Haftgründe vorlagen, waren sie zu entlassen.“

Stefan Schaard (CDU), justizpoli­tischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht in dem Fall den Beleg dafür, dass Politiker nicht die besseren Staatsanwä­lte und Richter sind. „Unser Rechtsstaa­t unterliegt Regeln und zwar ohne Ansehen einer Gesinnung“, sagte er.

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