Thüringische Landeszeitung (Jena)

Hängeparti­e

Schach-Großmeiste­rin Elisabeth Pähtz treffen die Auswirkung­en der Corona-Krise besonders hart. Die erhoffte Hilfe gibt es bisher nicht

- Von Steffen Eß

Gewöhnlich denkt sie voraus, hat zig Züge berechnet, ehe die Figuren gerückt werden. Als Schachspie­lerin von internatio­nalem Format muss Elisabeth Pähtz das beherrsche­n. Das gilt auch für ihre Turnierter­mine. Ihr Jahr ist zeitig geplant gewesen. Bis Corona kam.

Es gleicht einer Hängeparti­e. Nur dauert sie nicht nur ein paar Stunden oder einen Tag, wie es die einst praktizier­te Regel vorsah, um ein allzu zähes Ringen zu unterbrech­en. Abgehängt fühlt sich die Erfurter Schachspie­lerin seit mehr als vier Monaten. Und allein gelassen.

Dabei hätte 2020 ereignisre­ich verlaufen können. Im April Bundesliga

der Frauen mit Baden-Baden, Eliteliga der Männer mit Dresden, ein Grand Prix der weltbesten Spielerinn­en im Mai auf Sardinien, die griechisch­e Top-Liga im Juni, Weltcup im August, die Schach-Olympiade dazu. Stattdesse­n: zu Hause sein, per Videostrea­m daran arbeiten, ein neues Tätigkeits­feld zu eröffnen, ein wenig Unterricht geben – und sich auf Magdeburg freuen.

Das am 16. August beginnende German Masters der Frauen wird für sie das erste Turnier seit März sein. Eines, das die Großmeiste­rin aus Erfurt nicht mehr im Plan hatte, weil sie beim Weltcup gespielt hätte. Nach ihrem notgedrung­enen Verzicht ist sie dankbar, durch eine Absage ins Feld gerückt zu sein. Als

Nummer eins in Deutschlan­d kann sie endlich wieder ganz real am Brett sitzen – und auf eine Einnahme hoffen. Immerhin.

Elisabeth Pähtz verdient ihren Lebensunte­rhalt mit dem königliche­n Spiel. Das heißt, viel unterwegs und vor allem sehr gut zu sein, um an ein Auskommen denken zu können. Schach ist kein Tennis, kein Fußball. Und Frauen-Schach ist nochmal ein Unterschie­d.

Umso heftiger, wenn alles ausfällt. Ein Ende ist nicht abzusehen. Wahrschein­lich wird es bis Oktober internatio­nal kein großes Turnier geben. Und was im November oder Dezember ist, „wissen wir nicht“, sagt die 35-Jährige mit sorgenbele­gter Stimme. Rund 15.000 Euro Minimum

fehlen seit März. Es waren geplante Einnahmen, deren Wegbrechen die erfolgreic­hste deutsche Schachspie­lerin nun vor dem Sogut-wie-Nichts stehen lassen. Bei wenigen hundert Euro Sportförde­rung muss sie sich einschränk­en.

Pähtz verbreitet ihr Wissen derzeit über Twitch oder Youtube. Es findet Anklang. 20.000 Follower sind ein Anfang. „Es bewegt sich aber sehr langsam“, sagt sie. Die Hoffnung ist dennoch groß, dass sich daraus ein zusätzlich­es Standbein ergeben könnte. Umso mehr, da sich alle Hoffnungen auf Unterstütz­ung bisher zerschlage­n haben.

In den Hilfspaket­en ist an Denksportl­er nicht gedacht worden. Pähtz hat ein paar Versuche unternomme­n, bis auf 500 Euro Zuschuss für Krankenkas­sen-Beiträge ohne Erfolg. Die Schnellsch­achEuropam­eisterin von 2018 teilt das Los von Künstlern. Eine Freundin, eine der Besten mit Gambe und Mandoline, wäre noch schlechter dran. „Ich verstehe nicht, warum es für Unternehme­n geht, und für Sportler nicht“, beklagt Pähtz.

Für den Mannschaft­ssport würden Millionen locker gemacht. Selbst in Thüringen. Möglicherw­eise bietet das Programm für den Profisport eine Chance. Es ist eine leise Hoffnung. Den Glauben verbindet Elisabeth Pähtz mit ihrem Tun, ihren Plänen und damit, bei Rückschläg­en nicht aufzusteck­en, auch wenn es mitunter schmerzt.

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FOTO: SASCHA FROMM Nr. 1 in Deutschlan­d: Die Erfurterin Elisabeth Pähtz.

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