Thüringische Landeszeitung (Jena)
Hängepartie
Schach-Großmeisterin Elisabeth Pähtz treffen die Auswirkungen der Corona-Krise besonders hart. Die erhoffte Hilfe gibt es bisher nicht
Gewöhnlich denkt sie voraus, hat zig Züge berechnet, ehe die Figuren gerückt werden. Als Schachspielerin von internationalem Format muss Elisabeth Pähtz das beherrschen. Das gilt auch für ihre Turniertermine. Ihr Jahr ist zeitig geplant gewesen. Bis Corona kam.
Es gleicht einer Hängepartie. Nur dauert sie nicht nur ein paar Stunden oder einen Tag, wie es die einst praktizierte Regel vorsah, um ein allzu zähes Ringen zu unterbrechen. Abgehängt fühlt sich die Erfurter Schachspielerin seit mehr als vier Monaten. Und allein gelassen.
Dabei hätte 2020 ereignisreich verlaufen können. Im April Bundesliga
der Frauen mit Baden-Baden, Eliteliga der Männer mit Dresden, ein Grand Prix der weltbesten Spielerinnen im Mai auf Sardinien, die griechische Top-Liga im Juni, Weltcup im August, die Schach-Olympiade dazu. Stattdessen: zu Hause sein, per Videostream daran arbeiten, ein neues Tätigkeitsfeld zu eröffnen, ein wenig Unterricht geben – und sich auf Magdeburg freuen.
Das am 16. August beginnende German Masters der Frauen wird für sie das erste Turnier seit März sein. Eines, das die Großmeisterin aus Erfurt nicht mehr im Plan hatte, weil sie beim Weltcup gespielt hätte. Nach ihrem notgedrungenen Verzicht ist sie dankbar, durch eine Absage ins Feld gerückt zu sein. Als
Nummer eins in Deutschland kann sie endlich wieder ganz real am Brett sitzen – und auf eine Einnahme hoffen. Immerhin.
Elisabeth Pähtz verdient ihren Lebensunterhalt mit dem königlichen Spiel. Das heißt, viel unterwegs und vor allem sehr gut zu sein, um an ein Auskommen denken zu können. Schach ist kein Tennis, kein Fußball. Und Frauen-Schach ist nochmal ein Unterschied.
Umso heftiger, wenn alles ausfällt. Ein Ende ist nicht abzusehen. Wahrscheinlich wird es bis Oktober international kein großes Turnier geben. Und was im November oder Dezember ist, „wissen wir nicht“, sagt die 35-Jährige mit sorgenbelegter Stimme. Rund 15.000 Euro Minimum
fehlen seit März. Es waren geplante Einnahmen, deren Wegbrechen die erfolgreichste deutsche Schachspielerin nun vor dem Sogut-wie-Nichts stehen lassen. Bei wenigen hundert Euro Sportförderung muss sie sich einschränken.
Pähtz verbreitet ihr Wissen derzeit über Twitch oder Youtube. Es findet Anklang. 20.000 Follower sind ein Anfang. „Es bewegt sich aber sehr langsam“, sagt sie. Die Hoffnung ist dennoch groß, dass sich daraus ein zusätzliches Standbein ergeben könnte. Umso mehr, da sich alle Hoffnungen auf Unterstützung bisher zerschlagen haben.
In den Hilfspaketen ist an Denksportler nicht gedacht worden. Pähtz hat ein paar Versuche unternommen, bis auf 500 Euro Zuschuss für Krankenkassen-Beiträge ohne Erfolg. Die SchnellschachEuropameisterin von 2018 teilt das Los von Künstlern. Eine Freundin, eine der Besten mit Gambe und Mandoline, wäre noch schlechter dran. „Ich verstehe nicht, warum es für Unternehmen geht, und für Sportler nicht“, beklagt Pähtz.
Für den Mannschaftssport würden Millionen locker gemacht. Selbst in Thüringen. Möglicherweise bietet das Programm für den Profisport eine Chance. Es ist eine leise Hoffnung. Den Glauben verbindet Elisabeth Pähtz mit ihrem Tun, ihren Plänen und damit, bei Rückschlägen nicht aufzustecken, auch wenn es mitunter schmerzt.