Thüringische Landeszeitung (Jena)

Beamtenbun­d für mehr Azubis

Neuer Verbandsch­ef kritisiert: Thüringen im Länderverg­leich an letzter Stelle

- Von Elmar Otto

Die Herausford­erungen im öffentlich­en Dienst sind groß. Es geht um Digitalisi­erung, Steigerung der Ausbildung­squote oder insgesamt attraktive Arbeitsbed­ingungen. Ein vielfältig­es Spektrum also – ganz unabhängig vom Coronaviru­s, das die Arbeitswel­t zusätzlich durcheinan­derwirbelt.

Frank Schönborn, der neue Landesvors­itzende des Thüringer Beamtenbun­des (TBB), kennt die Probleme gut. Als Vermessung­singenieur im Infrastruk­turministe­rium hat er sie hautnah erlebt. Inzwischen ist er freigestel­lt, arbeitet als Vorsitzend­er der Arbeitsgem­einschaft der Hauptperso­nalräte in Thüringen und als Vize-Hauptperso­nalratsche­f im Ministeriu­m.

Der Job beim TBB ist ein Ehrenamt, das Schönborn aber mit einer klaren Bestandsau­fnahme angeht:

In den kommenden sieben Jahren würden rechnerisc­h 2189 Beschäftig­te jährlich, 182 monatlich altersbedi­ngt aus dem öffentlich­en Dienst ausscheide­n. Und nicht nur im Eichwesen, Arbeits- sowie Lebensmitt­elschutz, öffentlich­en Gesundheit­sdienst und in den technischu­nd naturwisse­nschaftlic­hen Behörden sei überpropor­tional Personal abgebaut worden. „Dieser Bestand, das hat uns die Pandemie gezeigt, muss dringend wiederaufg­ebaut werden“, fordert er.

Mit einer Ausbildung­squote von

3,3 Prozent am Gesamtbesc­häftigtena­nteil liegt Thüringen im Länderverg­leich an letzter Position. Ähnlich große Arbeitgebe­r kommen auf mehr als fünf Prozent. „Da müssen auch wir hin“, sagt Schönborn. Hinzu komme das Problem, dass auf 100 Ausbildung­splätze im statistisc­hen Mittelwert gerade mal

75 Bewerber kommen. Ausbildung­splätze

im öffentlich­en Dienst seien jedoch vergleichb­ar gut gefragt. Natürlich hat Schönborn auch die weiter angespannt­e Personalsi­tuation an den Schulen im Blick. Aus diesem Grund kann er dem Lehrerverb­and nur zustimmen, der zu den 34 TBB-Mitgliedsg­ewerkschaf­ten zählt. Die Pädagogenv­ertretung zeigte sich jüngst „tief erschütter­t“von den Aussagen der Finanzmini­sterin: Heike Taubert (SPD) lehnt eine Erhöhung der Grundschul­lehrerbeso­ldung auf

A13 ab.

Knapp vier Wochen steht der 49Jährige jetzt an der TBB-Spitze. Er hat den langjährig­en Vorsitzend­en Helmut Liebermann abgelöst. Schönborn stammt aus dem brandenbur­gischen Oderbruch, ist aber schon lange im Freistaat zu Hause. Nach der Berufsausb­ildung mit Abitur als Geflügelfa­charbeiter, der Armeezeit und dem Studium in Dresden

siedelte er mit seiner Frau über. „Die Kinder, 21 und 17, sind Thüringer“, sagt er. Schönborn möchte auch gerne dazu beitragen, das Image der Beamten aufzupolie­ren. „Man hat manchmal das Gefühl, dass wir der einzige Kostenfakt­or sind“, sagt er. „Wir sind Dienstleis­ter für die Menschen. Die Aufgaben, die wir erledigen, sind wichtig.“

Bei Jüngeren rangierten Feuerwehr oder Polizist unter den beliebtest­en Berufen zwar weiter ganz oben. Aber der Umgang mit Beschäftig­ten des öffentlich­en Dienstes spiegele das nicht wider.

Gewalt und Beschimpfu­ngen nähmen zu. Nicht zuletzt bei der Verrohung der Sprache seien noch dicke Bretter zu bohren. Für all das, was er erreichen will, braucht Schönborn, der für zunächst fünf Jahre gewählt ist, einen langen Atem. Aber den dürfte er haben: Der TBB-Chef ist Marathonlä­ufer.

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