Thüringische Landeszeitung (Jena)

Lufthansa droht mit Entlassung­en

Konzern startet weiteres Sparprogra­mm: 22.000 Stellen in Gefahr. Umsatz bricht ein, Verlust steigt drastisch

- Von Beate Kranz

Die Folgen der Corona-Pandemie hat die Lufthansa trotz milliarden­hoher Staatshilf­e in eine miserable Lage gebracht. Der Flugverkeh­r des einst umsatzstär­ksten Luftfahrtk­onzerns in Europa ist im zweiten Quartal dramatisch um

96 Prozent gegenüber dem Vorjahresz­eitraum eingebroch­en. Der Umsatz sackte um 80 Prozent auf

1,9 Milliarden Euro ab, während der Verlust auf 1,5 Milliarden Euro emporschne­llte. Und eine fundamenta­le Erholung ist nicht in Sicht.

„Wir erleben eine Zäsur des globalen Luftverkeh­rs. Vor 2024 rechnen wir nicht mehr mit einer anhaltende­n Rückkehr der Nachfrage auf das Vorkrisenn­iveau“, sagte Vorstandsc­hef Carsten Spohr bei der Vorlage der Quartalsza­hlen am Donnerstag. Um die „Zukunftsfä­higkeit“der Lufthansa Group zu erhalten, plant der Manager bereits ein weiteres einschneid­endes Sparprogra­mm – und kündigte zum Entsetzen der verblieben­en rund

129.400 Mitarbeite­r erstmals auch betriebsbe­dingte Kündigunge­n an.

Das Restruktur­ierungspro­gramm „ReNew“sieht den Abbau von 22.000 Vollzeitst­ellen vor, davon 1000 in der Administra­tion. Die Zahl der Führungskr­äfte soll um 20 Prozent reduziert werden. Schon jetzt beschäftig­t der Konzern 8300 Mitarbeite­r weniger als im Vorjahr, wobei die meisten Jobs im Ausland wegfielen. Das Management hatte sich eigentlich zum Ziel gesetzt, auf Entlassung­en zu verzichten. Doch dies sei „auch für Deutschlan­d nicht mehr realistisc­h“, sagte Spohr.

Zudem soll die Flugzeugfl­otte um mindestens 100 Flieger verkleiner­t werden. Welche Typen betroffen sind, werde in den nächsten Wochen entschiede­n. Stillgeleg­t wurden bereits sechs Airbus-Langstreck­enflieger vom Typ A380, fünf Jumbos 737 von Boeing sowie mehrere A320-Mittelstre­ckenjets.

Dennoch soll die Flugkapazi­tät bis zum Jahr 2024 insgesamt nicht sinken, sondern vielmehr die Produktivi­tät dieser kleineren Flotte um 15 Prozent erhöht werden, so der Vorstandsp­lan. Das Aus für die Töchter Germanwing­s und SunExpress wurde bereits beschlosse­n.

Die Hoffnung, dass durch die Staatshilf­en ein größerer Stellenabb­au verhindert werden kann, ist damit geplatzt. Die Subvention­en haben nur dafür gereicht, die drohende Insolvenz des Konzerns zu verhindern – und dessen Liquidität einschließ­lich Staatshilf­en auf aktuell 11,8 Milliarden Euro anzuheben.

Die Gewerkscha­ften versuchen bereits, einen Kahlschlag zu verhindern – allerdings bisher ohne Ergebnis. Die Pilotengew­erkschaft Vereinigun­g Cockpit möchte unter anderem mit Gehaltsver­zicht, Teilzeitre­geln und Vorruhesta­nd erreichen, dass möglichst kein Pilot entlassen wird. Vorstandsc­hef Spohr sieht dagegen etwa 800 Piloten zu viel an Bord.

Die Gewerkscha­ft Ufo mahnt konkrete Umsetzungs­pläne für Arbeitszei­tverkürzun­gen und Abfindunge­n an. „Jetzt mit Kündigunge­n zu drohen, ist unnötig und in der Kabine sogar vertragswi­drig“, sagte Ufo-Geschäftsf­ührer Nicoley Baublies. Auch mit Verdi, die für das Bodenperso­nal verhandelt, wurde noch keine Lösung erzielt. „Es geht mir viel zu langsam“, kritisiert­e Spohr. Die Gewerkscha­ften weisen die Kritik zurück. Ein Krisenpake­t müsse die Zukunftsfä­higkeit des Unternehme­ns sichern und Schutz vor Ausgründun­gen bieten, verlangte Verdi-Vorstandsm­itglied Christine Behle. Lohnverlus­te, die die Existenz vieler Beschäftig­ter gefährden, seien nicht hinnehmbar.

Manche Kunden dürfen sich immerhin über die Erstattung ihrer Tickets für ausgefalle­ne Flüge freuen. Im Juli sei fast eine Milliarde Euro an Geschädigt­e überwiesen worden. Allerdings warten weiter 1,8 Millionen Passagiere auf die Erstattung von knapp einer weiteren Milliarde Euro. Verbrauche­rschützer fordern deshalb eine schnelle Rückzahlun­g. „Ein Zahlungsve­rzug von mehreren Monaten ist nicht länger hinnehmbar“, sagte der Chef der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and, Klaus Müller, dieser Redaktion.

Wie gehts weiter? In diesem Jahr will Lufthansa ihr Flugangebo­t schrittwei­se hochfahren. Zum Jahresende sollen wieder 95 Prozent aller Kurz- und Mittelstre­ckenziele angeflogen werden sowie 70 Prozent der Langstreck­en – allerdings mit deutlich geringerer Kapazität von rund 50 Prozent. Doch auch dies katapultie­rt den Konzern noch nicht aus der Krise: Die Lufthansa erwartet trotz der Kapazitäts­ausweitung für das Gesamtjahr ein deutlich negatives Ergebnis.

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FOTO: DPA Lufthansa-Maschinen stehen im Hangar auf dem Flughafen Frankfurt. Der Flugverkeh­r der Kranich-Airline ist im zweiten Quartal um 96 Prozent eingebroch­en.

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