Thüringische Landeszeitung (Jena)

25.000 Euro Strafe für Testverwei­gerer

Erstmals seit drei Monaten steigt Zahl der Neuinfekti­onen auf mehr als 1000. Spahn führt Testpflich­t ein

- Von Julia Emmrich und Alessandro Peduto

Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Seit Tagen zeigt die Infektions­kurve wieder nach oben, am Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) erstmals seit drei Monaten wieder mehr als 1000 neue CoronaFäll­e in Deutschlan­d. Am Vormittag richtete Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) einen eindringli­chen Appell an die Bundesbürg­er: „Wir leben nicht in normalen Zeiten. Wir alle sehen, die Pandemie ist noch nicht vorbei. Sie geht noch weiter.“Er beobachte vielerorts eine Ermüdung. „Das ist menschlich.“Und er wisse auch, dass die Urlaubszei­t für viele die schönste Zeit des Jahres sei, in diesem Jahr vor allem die Entlohnung noch den Entbehrung­en. Aber: „Bleiben wir besonnen. Wo das Virus eine Chance hat, breitet es sich aus. Es nimmt keine Rücksicht.“

1000 Neuinfekti­onen pro Tag – das sei eine Zahl, mit der die Gesundheit­sämter umgehen können, erklärte Spahn. „Besorgnise­rregend ist die Steigerung in den letzten Wochen.“Gehe das so weiter, werde es „schwierig“, so Spahn. Mit einer neuen Testpflich­t für Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten will die Bundesregi­erung die Gefahr durch eingeschle­ppte Infektione­n begrenzen. Doch wird das helfen?

Was jetzt Hoffnung macht:

1045 Neuinfekti­onen innerhalb von 24 Stunden – das ist viel. Doch die bloße Zahl der neu entdeckten Fälle ist nicht allein entscheide­nd für die Bewertung der Lage. Derzeit werden laut Spahn pro Woche rund

100.000 Tests mehr durchgefüh­rt als noch vor einem Monat. Die Testkapazi­täten wurden seit April von

330.000 auf jetzt 985.000 Abstriche pro Woche ausgebaut. Laut Spahn hat im Schnitt knapp ein Prozent der Getesteten ein positives Ergebnis. „Ein Teil der gestiegene­n Zahlen hat auch damit zu tun, dass wir mehr positive Fälle entdecken“, erklärte der Minister. Hinzu kommt der niedrige R-Wert: Die Reprodukti­onszahl R lag nach RKI-Schätzunge­n zuletzt bei 0,9. Auch das SiebenTage-R, das weniger tagesaktue­llen Schwankung­en unterliegt, lag zuletzt bei 0,97. Das bedeutet, dass ein Infizierte­r im Mittel nur etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Im internatio­nalen Vergleich sind in Deutschlan­d mit 9175 Menschen zudem deutlich weniger Patienten im Zusammenha­ng mit Covid-19 gestorben. Und: Anders als bei Ausbruch der Pandemie sehen sich auch Krankenhäu­ser, Hausärzte und Kommunen inzwischen besser vorbereite­t auf eine erneute Zunahme von Corona-Fällen. Insgesamt ist mehr Schutzmate­rial verfügbar, die Kliniken melden aktuell rund

9000 freie Intensivbe­tten, etwa 42 Prozent der registrier­ten Intensivbe­tten bundesweit. Hoffnung macht dem Minister auch die neue Teststrate­gie für Reiserückk­ehrer. Bereits seit vergangene­m Sonnabend können sich Auslandsur­lauber innerhalb von 72 Stunden nach ihrer Einreise kostenlos testen lassen. Von diesem Sonnabend an gilt zudem eine Testpflich­t für Rückkehrer aus Risikogebi­eten. Wer etwa aus dem Kosovo, aus Nordspanie­n oder der Türkei kommt, muss ein negatives Testergebn­is aus den vergangene­n

48 Stunden vorweisen oder möglichst kurz nach der Einreise nach Deutschlan­d einen Test machen. Für alle Reiserückk­ehrer soll es insbesonde­re an den Flughäfen Teststatio­nen geben. Auch bei der Einreise mit Bahn oder Auto sollen Testmöglic­hkeiten bereitgest­ellt werden. Wer aus einem Risikogebi­et kommt, muss sich in jedem Fall (wie bisher) beim Gesundheit­samt melden und so lange in Quarantäne bleiben, bis das Testergebn­is da ist. Wer den Abstrich verweigert, kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro belegt werden. Der Test ist kostenlos, die Krankenkas­sen zahlen. Spahn betonte: „Mir ist bewusst, dass das eine Zumutung ist.“Mit der Freiheit zu reisen gehe jedoch eine Verantwort­ung einher – „für mich selbst und auch für andere“. Bei bisherigen Tests in dieser Risikogrup­pe waren laut Spahn im Schnitt bis zu zwei Prozent der Getesteten positiv, sie wurden in Quarantäne geschickt. Ein Sicherheit­sgewinn, glaubt Spahn. „Das heißt, wir entdecken was.“

„Wo das Virus eine Chance hat, breitet es sich aus. Es nimmt keine Rücksicht.“

Jens Spahn, (CDU) Gesundheit­sminister

Was weiter Sorge bereitet:

Für Teile der Bevölkerun­g scheint die Pandemie gefühlt weit weg. Die anfänglich­e Disziplin in der Corona-Krise lässt vielerorts nach. Abstandsge­bote werden zunehmend missachtet. Auch was das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anbelangt, scheint sich Nachlässig­keit breitzumac­hen. Mehrere Bundesländ­er planen daher Bußgelder von bis zu 150 Euro für Verstöße gegen die Maskenpfli­cht im öffentlich­en Nahverkehr. Auch die Deutsche Bahn verschärft die Gangart und hat jüngst angekündig­t, hartleibig­e „Masken-Muffel“mit Hilfe der Bundespoli­zei aus dem Zug werfen zu lassen.

Gleichzeit­ig verschärfe­n die Länder die Sicherheit­svorkehrun­gen an Schulen. Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland angekündig­t, das Tragen von Masken auch während des Unterricht­s zur Pflicht zu machen. Dahinter steht die Angst vor einer zweiten Infektions­welle. Sorgen bereiten den Behörden aber auch regionale Ausbrüche wie im niederbaye­rischen Mamming. Dort waren auf einem Gemüsehof rund 247 Erntehelfe­r positiv getestet worden, dazu weitere 166 Beschäftig­te einer nahe gelegenen Konservenf­abrik.

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FOTO: MATTHIAS SCHRADER / DPA Derzeit können in Deutschlan­d jede Woche knapp eine Million Tests gemacht werden. Für Urlauber aus Risikogebi­eten sind sie ab Sonnabend verpflicht­end.
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FOTO: JOHN MACDOUGALL / AFP

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