Thüringische Landeszeitung (Jena)
25.000 Euro Strafe für Testverweigerer
Erstmals seit drei Monaten steigt Zahl der Neuinfektionen auf mehr als 1000. Spahn führt Testpflicht ein
Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Seit Tagen zeigt die Infektionskurve wieder nach oben, am Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) erstmals seit drei Monaten wieder mehr als 1000 neue CoronaFälle in Deutschland. Am Vormittag richtete Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) einen eindringlichen Appell an die Bundesbürger: „Wir leben nicht in normalen Zeiten. Wir alle sehen, die Pandemie ist noch nicht vorbei. Sie geht noch weiter.“Er beobachte vielerorts eine Ermüdung. „Das ist menschlich.“Und er wisse auch, dass die Urlaubszeit für viele die schönste Zeit des Jahres sei, in diesem Jahr vor allem die Entlohnung noch den Entbehrungen. Aber: „Bleiben wir besonnen. Wo das Virus eine Chance hat, breitet es sich aus. Es nimmt keine Rücksicht.“
1000 Neuinfektionen pro Tag – das sei eine Zahl, mit der die Gesundheitsämter umgehen können, erklärte Spahn. „Besorgniserregend ist die Steigerung in den letzten Wochen.“Gehe das so weiter, werde es „schwierig“, so Spahn. Mit einer neuen Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten will die Bundesregierung die Gefahr durch eingeschleppte Infektionen begrenzen. Doch wird das helfen?
Was jetzt Hoffnung macht:
1045 Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden – das ist viel. Doch die bloße Zahl der neu entdeckten Fälle ist nicht allein entscheidend für die Bewertung der Lage. Derzeit werden laut Spahn pro Woche rund
100.000 Tests mehr durchgeführt als noch vor einem Monat. Die Testkapazitäten wurden seit April von
330.000 auf jetzt 985.000 Abstriche pro Woche ausgebaut. Laut Spahn hat im Schnitt knapp ein Prozent der Getesteten ein positives Ergebnis. „Ein Teil der gestiegenen Zahlen hat auch damit zu tun, dass wir mehr positive Fälle entdecken“, erklärte der Minister. Hinzu kommt der niedrige R-Wert: Die Reproduktionszahl R lag nach RKI-Schätzungen zuletzt bei 0,9. Auch das SiebenTage-R, das weniger tagesaktuellen Schwankungen unterliegt, lag zuletzt bei 0,97. Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel nur etwa einen weiteren Menschen ansteckt. Im internationalen Vergleich sind in Deutschland mit 9175 Menschen zudem deutlich weniger Patienten im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Und: Anders als bei Ausbruch der Pandemie sehen sich auch Krankenhäuser, Hausärzte und Kommunen inzwischen besser vorbereitet auf eine erneute Zunahme von Corona-Fällen. Insgesamt ist mehr Schutzmaterial verfügbar, die Kliniken melden aktuell rund
9000 freie Intensivbetten, etwa 42 Prozent der registrierten Intensivbetten bundesweit. Hoffnung macht dem Minister auch die neue Teststrategie für Reiserückkehrer. Bereits seit vergangenem Sonnabend können sich Auslandsurlauber innerhalb von 72 Stunden nach ihrer Einreise kostenlos testen lassen. Von diesem Sonnabend an gilt zudem eine Testpflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten. Wer etwa aus dem Kosovo, aus Nordspanien oder der Türkei kommt, muss ein negatives Testergebnis aus den vergangenen
48 Stunden vorweisen oder möglichst kurz nach der Einreise nach Deutschland einen Test machen. Für alle Reiserückkehrer soll es insbesondere an den Flughäfen Teststationen geben. Auch bei der Einreise mit Bahn oder Auto sollen Testmöglichkeiten bereitgestellt werden. Wer aus einem Risikogebiet kommt, muss sich in jedem Fall (wie bisher) beim Gesundheitsamt melden und so lange in Quarantäne bleiben, bis das Testergebnis da ist. Wer den Abstrich verweigert, kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro belegt werden. Der Test ist kostenlos, die Krankenkassen zahlen. Spahn betonte: „Mir ist bewusst, dass das eine Zumutung ist.“Mit der Freiheit zu reisen gehe jedoch eine Verantwortung einher – „für mich selbst und auch für andere“. Bei bisherigen Tests in dieser Risikogruppe waren laut Spahn im Schnitt bis zu zwei Prozent der Getesteten positiv, sie wurden in Quarantäne geschickt. Ein Sicherheitsgewinn, glaubt Spahn. „Das heißt, wir entdecken was.“
„Wo das Virus eine Chance hat, breitet es sich aus. Es nimmt keine Rücksicht.“
Jens Spahn, (CDU) Gesundheitsminister
Was weiter Sorge bereitet:
Für Teile der Bevölkerung scheint die Pandemie gefühlt weit weg. Die anfängliche Disziplin in der Corona-Krise lässt vielerorts nach. Abstandsgebote werden zunehmend missachtet. Auch was das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes anbelangt, scheint sich Nachlässigkeit breitzumachen. Mehrere Bundesländer planen daher Bußgelder von bis zu 150 Euro für Verstöße gegen die Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr. Auch die Deutsche Bahn verschärft die Gangart und hat jüngst angekündigt, hartleibige „Masken-Muffel“mit Hilfe der Bundespolizei aus dem Zug werfen zu lassen.
Gleichzeitig verschärfen die Länder die Sicherheitsvorkehrungen an Schulen. Nordrhein-Westfalen hat als erstes Bundesland angekündigt, das Tragen von Masken auch während des Unterrichts zur Pflicht zu machen. Dahinter steht die Angst vor einer zweiten Infektionswelle. Sorgen bereiten den Behörden aber auch regionale Ausbrüche wie im niederbayerischen Mamming. Dort waren auf einem Gemüsehof rund 247 Erntehelfer positiv getestet worden, dazu weitere 166 Beschäftigte einer nahe gelegenen Konservenfabrik.