Thüringische Landeszeitung (Jena)

Die Geschichte der „Venus im Pelz“

Vor 150 Jahren erschien ein Buch, auf dem der weltbekann­te Begriff „Masochismu­s“beruht. Eine Spurensuch­e von Wien bis Marbach

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Diesen Sommer wird der Masochismu­s 150 Jahre alt. Genau genommen wurde vor 150 Jahren erstmal nur die Novelle „Venus im Pelz“des damals populären Autors Leopold von Sacher-Masoch

(1836-1895) veröffentl­icht. Darin geht es um die Lust, sich erniedrige­n zu lassen. Im Laufe des Sommers

1870 erfuhr das Werk, auf das sich später der weltberühm­te Begriff „Masochismu­s“bezog, seine Verbreitun­g im deutschspr­achigen Raum. Es waren die Wochen, in denen auch der Deutsch-Französisc­he Krieg begann.

„Die Erzählung „Venus im Pelz“erschien zuerst im zwei Bände umfassende­n ersten Teil des Novellenzy­klus „Das Vermächtni­s Kains“im

Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlu­ng“, heißt es beim Deutschen Literatura­rchiv in Marbach. „Die beiden Bände lagen wohl gegen Ende Mai 1870 vor; am 1. Juni übersandte der Verlag dem Autor zehn Freiexempl­are der beiden Bände.

Am 19. Juni 1870 schickte Sacher-Masoch ein Rezensions­exemplar der beiden Bände an einen Redakteur der „Neuen Freien Presse“, der führenden Wiener Zeitung.

Dass der in Lemberg – damals Österreich, heute Lwiw in der Ukraine – geborene Schriftste­ller SacherMaso­ch zum Namensgebe­r einer sexuellen Obsession wurde, liegt jedoch nicht an ihm selbst. Das besorgte ein in Mannheim geborener

Psychiater mit einer Karriere in Graz und Wien.

Es war Richard von Krafft-Ebing (1840-1902), der vor allem in Bezug auf die „Venus im Pelz“das Wort „Masochismu­s“1886 in seinem Werk „Psychopath­ia sexualis“einführte – und zwar als (Originalwo­rtlaut) „Verbindung erduldeter Grausamkei­t und Gewaltthät­igkeit mit Wollust“. Im Gegenzug nannte Krafft-Ebing die Lust am Demütigen „Sadismus“, abgeleitet vom Marquis de Sade. Bis heute sind beide Wörter geläufig, auch in anderen Sprachen als dem Deutschen. Sadomaso-Praktiken gelten spätestens seit Bestseller­n wie „Fifty Shades of Grey“als gesellscha­ftlich weitgehend akzeptiert.

Von Sacher-Masoch nahm die Berühmthei­t im „perversen“Zusammenha­ng jedoch damals ganz und gar nicht als Ehre wahr, wurde er doch nun oft mit dem französisc­hen Adeligen Donatien Alphonse François de Sade (1740-1814) in einem Atemzug genannt, der seine gewaltporn­ografische­n Schriften in Haft oder sogenannte­n Irrenansta­lten verfasst hatte. In der Rahmenhand­lung seiner „Venus im Pelz“erzählt ein Freund dem jungen Adeligen Severin von Kusiemski einen Traum. Darin erschien ihm eine schöne Frau im Pelz mit eigenwilli­gen Ansichten über die Liebe. Daraufhin bekennt Severin, eine solche Frau im wahren Leben kennengele­rnt zu haben, eine sogenannte Venus im Pelz namens Wanda, der er sich gern unterwarf. Er ließ sich von ihr zum Lustgewinn demütigen und auspeitsch­en. Es sei befriedige­nd gewesen, Wanda zu diesem Verhalten zu erziehen, also zu einer (kontrollie­rten) Willkür ihm gegenüber.

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FOTO: BORIS ROESSLER / DPA Besucherin eines Sado-Maso-Clubs

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