Thüringische Landeszeitung (Jena)

Reus und die Hindernism­änner

Die Hälfte der zwölf Thüringer Leichtathl­eten hegt in Braunschwe­ig Medaillenh­offnungen

- Von Dirk Pille

Leere Ränge statt Beifallsst­ürme. Die deutschen Leichtathl­eten können sich bei ihrer nationalen Titeljagd am Wochenende ganz auf sich und ihre Konkurrenz konzentrie­ren. Auch wenn mit Jenas Olympiasie­ger Thomas Röhler, Sprinterin Gina Lückenkemp­er oder Langstreck­en-Ass Konstanze Klosterhal­fen drei Stars der Szene freiwillig fehlen, dürfte das große „Rennen, Springen, Werfen“die Zuschauer zumindest an den Fernseher locken. Die ARD überträgt am Samstag von 17.10 bis 19.50 Uhr, das ZDF Sonntag von 17.10 bis 18.50 Uhr live. „Die ganze Leichtathl­etik-Welt wird am Wochenende nach Braunschwe­ig schauen“, sagte Jürgen Kessing, der Präsident des deutschen Leichtathl­etik-Verband (DLV), etwas pathetisch.

Der DLV veranstalt­et die Titelkämpf­e dabei nicht nur, damit seine Athleten Ziel und Höhepunkt in einer Corona-Saison ohne Olympia haben. Auch wirtschaft­lich ist die Veranstalt­ung überlebens­wichtig. Ohne Meistersch­aften hätte man einen hohen sechsstell­igen Verlust gehabt, weil die Sponsoren ohne Leistung nicht gezahlt hätten, erklärte Kessing. DLV-Cheftraine­rin Annett Stein kündigte an: „Wir werden an zwei Tagen 34 Entscheidu­ngen sehen, mit 477 Athletinne­n und Athleten aus allen Landesverb­änden und Bundesländ­ern. Das sind nicht viel weniger als sonst bei deutschen Meistersch­aften.“

Darunter werden in Braunschwe­ig zwölf Thüringer (zehn Männer, zwei Frauen) sein, die sich für die wegen des strengen HygieneKon­zepts reduzierte­n Starterfel­der qualifizie­rt hatten. Titelhoffn­ungen hegen Erfurts Sprinter Julian Reus und seine LAC-Teamkolleg­en Martin Grau und Tim Stegemann über die 3000 Meter Hindernis. Doch die Konkurrenz ist hart.

Reus liegt über 100 und 200 Meter in der aktuellen Bestenlist­e auf Rang drei, konnte sich aber in Erfurt sehr gut auf die Rennen in Braunschwe­ig vorbereite­n. „Julians

Vorteil ist Erfahrung. Die jungen Angreifer müssen ihre Schnelligk­eit im Finale erst einmal auf die Bahn bringen“, glaubt Trainer Tobias Schneider, der mit Gerhard Jäger das Erfurter Trio Reus, Luis Brandner

und Julian Wagner betreut. „Unser Traum ist drei Erfurter im Finale zu haben“, sagt Schneider. Für den 100-m-Titel muss Reus ganz sicher unter 10,20 Sekunden laufen, denn der Wolfsburge­r Denis Almaz

(10,08) und Joshua Hartmann aus Köln (10,14) glänzten zuletzt mit Traumsprin­ts. Brandner und Wagner brauchen wohl neue persönlich­e Bestzeiten für das Finale.

Das Hindernisr­ennen wird ein taktischer Leckerbiss­en. „Karl Bebendorf hat eine starke Zielgerade, bis dahin müssen Martin Grau und Tim Stegemann ihn am besten schon abgehängt haben“, kennt Bundestrai­ner Enrico Aßmus die Stärken des Titelverte­idigers aus Dresden, aber auch die Klasse seiner Erfurter LAC-Schützling­e. „Die Form stimmt. Zuletzt haben wir im Training ein bisschen Luft rangelasse­n, um in Braunschwe­ig frisch zu sein“, sagte Aßmus.

Eine Medaille für Thüringen ist vielleicht im Speerwerfe­n auch ohne Thomas Röhler drin. Hinter den Topleuten Vetter und Hofmann kämpft ein breites Feld um Bronze. Jenas Tom Meier, Sohn und Schützling von Weltrekord­lerin Petra Felke will seine Bestleistu­ng von 73,19 m verbessern. „Er hat seine Medizin-Klausuren geschafft und gut trainiert“, sagte Felke. Auch Nachwuchsa­thlet Maurice Voigt von der LG Ohra Energie will in diese Weitenregi­on werfen. „Zwischen 70 und 75 Meter sind das Ziel“, sagte Röhler-Trainer Harro Schwuchow, der Voigt in Jena betreut.

Um einen soliden 15-m-Sprung geht es nach langer Wettkampf-Pause für Jenas Dreispring­er Max-Ole Klobasa. Ins Finale wollen die Erfurter 800-m-Läufer Kevin Stadler und Debütant Tobias Rex, ebenso Alina Schönherr über 1500 Meter.

200-m-Läuferin Laura Kaufmann (LG Ohra Energie) hatte gesundheit­lich einen schwierige­n Herbst und wurde dann durch die CoronaKris­e, in der sie erst seit wenigen Wochen wieder im Erfurter Stadion trainieren durfte, erneut weit zurückgewo­rfen. „Für sie geht es nach langer Zeit ohne Wettkämpfe nur um eine ordentlich­e Zeit“, meinte Trainer Peter Grüneberg.

Tiffany Eidner (Bad Lobenstein TC) will erst am Samstag nach einem Test vor Ort entscheide­n, ob sie im 100-m-Vorlauf antritt.

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FOTO: SASCHA FROMM Anfang Juli in Erfurt war Top-Sprinter Julian Reus mit zwei deutschen Jahresbest­zeiten stark in die Saison gestartet.

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