Thüringische Landeszeitung (Jena)
Rennärztin: Jakobsen außer Lebensgefahr
Erneutes Drama bei Polen-Rundfahrt: Schwer gestürzter Niederländer übersteht Operation. Debatte um Sicherheit der Zielankunft
Der bei der Polen-Rundfahrt schwer verunglückte Radprofi Fabio Jakobsen ist nach Angaben der Rennärztin Barbara Jerschina nicht mehr in Lebensgefahr. „Jakobsen hat eine Operation überstanden, sein Leben ist nicht mehr bedroht“, sagte Jerschina gestern. Neben dem 23 Jahre alten Niederländer würden noch drei weitere Radprofis in Krankenhäusern behandelt, sagte die für die PolenRundfahrt zuständige Medizinerin.
Aufgrund der Schwere der weiteren Verletzungen war Jakobsen in ein künstliches Koma versetzt worden. „Alle Knochen in seinem Gesicht sind gebrochen“, sagte Patrick Lefevere, Manager des Rennstalls Deceuninck-Quick Step, im belgischen Radio. Lefevere hatte am Abend zuvor gesagt, dass Dylan Groenewegen, der seinen Landsmann im Zielsprint bei hoher Geschwindigkeit brutal in die Absperrgitter gedrängt hatte, eine Gefängnisstrafe verdiene. Diese Worte bedauere er nicht, sagte Lefevere. „Wir werden Schritte unternehmen, um bei UCI und Polizei Anzeige zu erstatten.“Der Weltverband teilte mit, dass der Fall wegen des „unakzeptablen Verhaltens“Groenewegens sofort für weitere Sanktionen an die Disziplinar-Kommission weitergeleitet worden sei.
Der Unfall rief einen anderen brutal in Erinnerung: Am 5. August 2019, exakt vor einem Jahr, war der Belgier Lambrecht auf der 3. Etappe der Polen-Tour bei Regen gegen einen Betonpfeiler geprallt und später im Krankenhaus gestorben. Er wurde nur 22 Jahre alt.
Der deutsche Radprofi Roger Kluge hat derweil das Verhalten einiger Kollegen kritisiert und die Streckenführung in Frage gestellt. „Es ist ja schon seit Jahren die Frage, ob man an dieser Stelle das Ziel machen muss“, sagte Kluge über die riskante Bergab-Passage. Der 34-Jährige war als Achter bester Deutscher geworden: „Ich hatte mega Glück im Zielsprint, dass ich die richtige Seite gewählt habe. Dort bin ich einigermaßen gut durchgekommen.“
Die Bilder des Unfalls waren schrecklich genug: Diverse weitere Fahrer waren im Finale gestürzt, zum Teil spektakulär über umherfliegende Gitter. Der Zielraum glich einem Schlachtfeld, mehrere Krankenwagen hielten an der Ziellinie.
Am Ende des Auftakt-Teilstücks zwischen Chorzow und Katowice hatten die anderen deutschen Profis bereits die Beine hochgenommen. John Degenkolb lag mehr als eine Minute zurück, Topsprinter Pascal Ackermann war zu früh in den Wind gegangen und nicht wie gewohnt ganz vorne dabei – es ist wohl sein großes Glück gewesen.
Groenewegen, der die Ziellinie als Erster überquert hatte, wurde nach kurzer Zeit disqualifiziert und Jakobsen zum Sieger des Rennens erklärt – doch das war an diesem Tag absolute Nebensache.