Thüringische Landeszeitung (Jena)

Der Popstar der Haustiere

Zum Weltkatzen­tag: Seit mehr als 9000 Jahren fasziniere­n die Minitiger mit Allüren und Freigeist

- Von Oliver Stöwing

Berlin. Scheue allzu tiefe Bindungen. Halte deine Absichten stets geheim. Gebe nie zu viel preis. Lass die anderen zu dir kommen und ködere sie, wenn nötig. Lasse andere für dich arbeiten. Glänze durch Abwesenhei­t. Bleibe unberechen­bar. Der Autor Robert Greene hat in seinem Klassiker „Power“goldene Regeln aufgestell­t, wie man berühmt und mächtig wird. Wer alles richtig macht: Katzen. Seit rund 9500 Jahren kultiviere­n sie die Aura des Geheimnisv­ollen und Unerreichb­aren. Sie werden angehimmel­t, aber auch verteufelt, verloren jedoch nie ihre Faszinatio­n. Sogar einen eigenen Feiertag haben sie: den Weltkatzen­tag am Sonnabend.

Die Hauskatze ist ein echter Evolutions­gewinner. Während fast alle ihre wilden Verwandten vom Aussterben bedroht sind, hat ihre Anpassungs­fähigkeit Felis catus auf allen Kontinente­n heimisch gemacht. Man geht von einer Milliarde Hauskatzen weltweit aus, laut einer Erhebung des Zentralver­bands Zoologisch­er

Fachbetrie­be gibt es hierzuland­e 14,7 Millionen der Wohnzimmer­löwen.

Laut Katzenfors­cherin Abigail Tucker sind sie die einzigen Haustiere, die sich selbst domestizie­rt haben: „Sie schlichen sich einfach in die menschlich­en Haushalte.“Während andere Tiere Lasten tragen, Eier legen, Wache schieben oder sich essen lassen müssen, macht die Katze: nichts. „Die Katze ist das einzige vierbeinig­e Tier, das dem Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche aber dafür nichts zu tun“, spottete einst schon Kurt Tucholsky.

Oftmals sind sie eine Internetse­nsation

Nicht mal mehr die Mäusejagd verlangt man von Lilly, Luna, Sammy, Balu oder Simba – so die beliebtest­en Namen in Deutschlan­d. Stattdesse­n genießen sie zumeist ein komfortabl­es Leben mit Pastete, Plastikmäu­sen und oft sogar einem eigenen Psychologe­n.

Die Aufschrift auf einem Fressnapf bringt die Lust des Menschen, sich seinem Tier zu unterwerfe­n, auf den Punkt: „Hunde haben Herrchen, Katzen haben Dosenöffne­r.“

Katzen besitzen Starqualit­äten – naheliegen­d also, dass einige sogar zu echten Prominente­n geworden sind. Wie viele Stunden Wirtschaft­sleistung in Deutschlan­d verloren gingen, weil Angestellt­e während der Arbeit Katzenvide­os guckten, bleibt im Dunklen. Beispiel: Das Video einer angriffslu­stigen Katze namens Burger, bekannt als Very Angry Cat, wurde etwa 90 Millionen Mal geklickt.

Schlechte Laune kommt an: Dank ihrer herunterge­zogenen Mundwinkel wurde Grumpy Cat zur wohl bekanntest­en Mieze der Welt. Und da Legenden nie sterben, ist die kapriziös blickende Katze auch nach ihrem Tod noch ein Star – mit mehr als 2,5 Millionen Instagram-Fans. Grumpy Cat machte ihre Besitzerin reich. Choupette dagegen wurde durch ihren Besitzer reich. Jahrelang war

sie die Muse von Karl Lagerfeld. Die Birmakatze warb für Autos und eine japanische Make-up-Kollektion. Nach dem Tod des Modeschöpf­ers entbrannte ein Erbstreit um Choupette, bei dem es um Millionen gegangen sein soll.

Und natürlich gibt es die fiktiven Katzen vom faul philosophi­erenden Kater Garfield bis zur Youtube-Sensation Nyan Cat. In ihrem Video fliegt sie in Retro-Digital-Optik durch den Himmel, miaut und zieht einen Regenbogen­schweif hinter sich her. Mehr passiert nicht – Klicks: 180 Millionen.

„Es ist schwer für den Menschen, die Körperspra­che der Katze zu entziffern. Sie ist abweisend und anhänglich zugleich und sie bewahrt sich ihre Wildheit. Ihre Gunst muss erst erobert werden. Das fasziniert viele“, erklärt Buchautori­n Maike Grunwald („Katzen“, Reclam). Wir lieben Katzen, weil sie so sind, wie wir gern wären: unabhängig, freigeisti­g, mit einem Hauch von Gefahr. Wer dagegen geordnete Verhältnis­se und Kontrolle liebt, sei mit einem Hund besser beraten, sagt Grunwald.

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FOTOS: IMAGO; TWITTER KARL LAGERFELD; PA; ISTOCK Was will sie uns damit sagen? Die Körperspra­che der Katze ist rätselhaft. Auch die der Promi-Katzen Garfield, Choupette (mit Karl Lagerfeld) und Grumpy Cat (v. l.).

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