Thüringische Landeszeitung (Jena)
Über TikTok
Den ganzen Nachmittag hat Dickie damit verbracht, die Ranch von diesem elektronischen Ungeziefer zu säubern. Wanzen! Wie eine Epidemie! Schlimmer als zu Zeiten von Horch&Guck. Keiner hat damit gerechnet, dass der Holzdorfer Agrotourismus uns solches Zeug bescheren würde – eingeschleppt durch obskure Gäste. „Schon beim Einchecken waren diese drei angeblichen Taiwan-Chinesen mir nicht geheuer“, sagt Dick, als er 49 elektronische Winzlinge auf den Küchentisch zählt.
Ping, Pong und Pang, die auffällig unauffälligen Schlitzohren, haben sich am Morgen verabschiedet: Um ihr Bild von der deutschen Kultur abzurunden, wollten sie noch mit einem Leihwagen über die Autobahn brettern. Weil freie Fahrt für freie Bürger ja sonst überall verboten sei. Lachend winkten sie noch mit ihren Schlapphüten.
„Die kamen direkt aus Beijing“, sagt Dick. Gaaaanz zufällig habe er bei einer Zimmerkontrolle ihre Pässe und Tickets entdeckt. „Warum nur schicken uns die Chinesen ihre Spitzel auf den Hals? Etwa um Hop Sing zu observieren?“
„Nein“, entgegnet Jack. „Nicht nur ihn. Sie wollen alle kontrollieren. Es geht um die weltweite Lufthoheit im Dschungel der Daten.“Dann doziert er, dass längst die halbe Menschheit per Internet observiert und manipuliert werde. Entweder via Gugel, Fäjßbuk, Instägräm und Co. – oder neuerdings von den Chinesen: durch billige Smartfohns und Äpps wie TikTok und so. „Deshalb hat Don Trump dieses TikTok jetzt auch verboten: Nicht um seine Bürger zu schützen, sondern seine Datenhoheit.“
Damit würden ja letztlich auch demokratische Wahlen gesteuert – wie vor vier Jahren in den USA. Aber warum die Wanzen? „Wer nicht online geht, wird konventionell überwacht“, glaubt Bill.
Da – zirpt die 50., unentdeckte Wanze aus dem Abflussrohr unserer Küchenspüle: „Machen kein Sorge. Von wegen Weltverschwörung!“Die elektronische Stimme klingt fast so wie die von Hop Sing. Verblüfft schauen wir uns an. Dick holt eine Rohrzange.