Thüringische Landeszeitung (Jena)
Neue Züge maßgeschneidert für Jena
Der „härtere, aber bessere Weg“hin zum Fördergeld für den Straßenbahn-Kauf
Das Ringen um die Zukunft der Jenaer Straßenbahn war spannend wie ein Krimi. Gemäß den Zuschuss-Modalitäten der EU „wäre der 31. August die Deadline gewesen“, sagte Bürgermeister Christian Gerlitz (SPD) über den soeben endlich herausgegebenen Förderbescheid des Freistaats Thüringen mit 44,4 Millionen Euro für die Anschaffung von 24 neuen Jenaer Straßenbahnen (Zeitung berichtete). Er freue sich „über alle Maßen“angesichts dieser wichtigen Zusage, an der er seit seinem Amtsantritt als Stadtentwicklungsdezernent vor anderthalb Jahren gebaggert habe. Weil der zugesagte Betrag aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und aus Landesmitteln eine wahre Rieseninvestition darstellt, darf sich Gerlitz vieler Nachfragen gewiss sein.
Warum zum Beispiel ist die Neuanschaffung überhaupt vonnöten?
Für moderne Straßenbahnen würden in Deutschland ausgesprochen harte Prüfvorschriften gelten, erläuterte Gerlitz. In großem Zuge sei der
Austausch von Bauteilen schon aus Vorsorge vonnöten. „Das sind unsere deutschen Sicherheitsstandards.“Für diesen Prozess gebe es aber seriöse Kalkulationen, wonach von einem bestimmten Alter des Fahrzeugs an die Neuanschaffung einer Straßenbahn kostengünstiger kommt.
Weshalb ist mit 24 von 33 Zügen der Neukauf eines Großteils der Jenaer Flotte festgelegt worden, statt Stück für Stück die unterschiedlich alten Jenaer Straßenbahnen nach Bedarf, Zustand und Kassenlage zu ersetzen?
Nach Gerlitz’ Beschreibung ist der Kauf in zwei Losen, also zwei Paketen von jeweils zwölf Fahrzeugen für jeweils insgesamt 22,2 Millionen Euro geplant. Zu bedenken sei, dass der Hersteller die Fahrzeuge nicht von der Stange, sondern mit individuellem Zuschnitt auf die Bedingungen in Jena produziere. Das zweite Kauf-Los sei aber erst in einigen Jahren fällig und wäre ohne die langfristige Zusage viel teurer geworden, so legte der Bürgermeister dar.
Und wie kommt es, dass ein so großes Projekt erst auf den letzten Pfiff in trockene Tücher gelangte?
Erklären lässt sich das nicht zuletzt mit der Aufteilung in die beiden Kauf-Lose und mit der haushaltsrechtlichen Kulisse des Freistaats Thüringen. Gerlitz sagte, dass das zweite Kauf-Los recht weit in die Zukunft reiche und deshalb „juristisch sehr komplexe“Abwägungen vonnöten gewesen seien. Schließlich werde das zweite Los erst in der nächsten Legislatur und gleichsam im übernächsten Doppelhaushalt des Freistaats verankert sein. Das dritte Lieferlos für die restlichen neun Züge wiederum liege in derart weiter Ferne, dass noch keinerlei Zusagen vereinbart worden seien. Christian Gerlitz schaut zurück auf Dutzende „Straßenbahn-Gespräche“im Infrastruktur-, im Finanzund im Wirtschaftsministerium. Die erste mündliche Zusage für die Förderung sei Jena vor einem Jahr gegeben worden, die erste schriftliche Zusage vor einem dreiviertel Jahr. „Da fehlte aber noch der Förderbescheid.“Der Bürgermeister ist sich sicher, „dass wir den härteren, aber den besseren Weg gegangen sind“. Die ersten neuen Züge sollen in etwa zwei Jahren in Jena rollen.