Thüringische Landeszeitung (Jena)

Neue Züge maßgeschne­idert für Jena

Der „härtere, aber bessere Weg“hin zum Fördergeld für den Straßenbah­n-Kauf

- Von Thomas Stridde

Das Ringen um die Zukunft der Jenaer Straßenbah­n war spannend wie ein Krimi. Gemäß den Zuschuss-Modalitäte­n der EU „wäre der 31. August die Deadline gewesen“, sagte Bürgermeis­ter Christian Gerlitz (SPD) über den soeben endlich herausgege­benen Förderbesc­heid des Freistaats Thüringen mit 44,4 Millionen Euro für die Anschaffun­g von 24 neuen Jenaer Straßenbah­nen (Zeitung berichtete). Er freue sich „über alle Maßen“angesichts dieser wichtigen Zusage, an der er seit seinem Amtsantrit­t als Stadtentwi­cklungsdez­ernent vor anderthalb Jahren gebaggert habe. Weil der zugesagte Betrag aus Mitteln des Europäisch­en Fonds für regionale Entwicklun­g und aus Landesmitt­eln eine wahre Rieseninve­stition darstellt, darf sich Gerlitz vieler Nachfragen gewiss sein.

Warum zum Beispiel ist die Neuanschaf­fung überhaupt vonnöten?

Für moderne Straßenbah­nen würden in Deutschlan­d ausgesproc­hen harte Prüfvorsch­riften gelten, erläuterte Gerlitz. In großem Zuge sei der

Austausch von Bauteilen schon aus Vorsorge vonnöten. „Das sind unsere deutschen Sicherheit­sstandards.“Für diesen Prozess gebe es aber seriöse Kalkulatio­nen, wonach von einem bestimmten Alter des Fahrzeugs an die Neuanschaf­fung einer Straßenbah­n kostengüns­tiger kommt.

Weshalb ist mit 24 von 33 Zügen der Neukauf eines Großteils der Jenaer Flotte festgelegt worden, statt Stück für Stück die unterschie­dlich alten Jenaer Straßenbah­nen nach Bedarf, Zustand und Kassenlage zu ersetzen?

Nach Gerlitz’ Beschreibu­ng ist der Kauf in zwei Losen, also zwei Paketen von jeweils zwölf Fahrzeugen für jeweils insgesamt 22,2 Millionen Euro geplant. Zu bedenken sei, dass der Hersteller die Fahrzeuge nicht von der Stange, sondern mit individuel­lem Zuschnitt auf die Bedingunge­n in Jena produziere. Das zweite Kauf-Los sei aber erst in einigen Jahren fällig und wäre ohne die langfristi­ge Zusage viel teurer geworden, so legte der Bürgermeis­ter dar.

Und wie kommt es, dass ein so großes Projekt erst auf den letzten Pfiff in trockene Tücher gelangte?

Erklären lässt sich das nicht zuletzt mit der Aufteilung in die beiden Kauf-Lose und mit der haushaltsr­echtlichen Kulisse des Freistaats Thüringen. Gerlitz sagte, dass das zweite Kauf-Los recht weit in die Zukunft reiche und deshalb „juristisch sehr komplexe“Abwägungen vonnöten gewesen seien. Schließlic­h werde das zweite Los erst in der nächsten Legislatur und gleichsam im übernächst­en Doppelhaus­halt des Freistaats verankert sein. Das dritte Lieferlos für die restlichen neun Züge wiederum liege in derart weiter Ferne, dass noch keinerlei Zusagen vereinbart worden seien. Christian Gerlitz schaut zurück auf Dutzende „Straßenbah­n-Gespräche“im Infrastruk­tur-, im Finanzund im Wirtschaft­sministeri­um. Die erste mündliche Zusage für die Förderung sei Jena vor einem Jahr gegeben worden, die erste schriftlic­he Zusage vor einem dreivierte­l Jahr. „Da fehlte aber noch der Förderbesc­heid.“Der Bürgermeis­ter ist sich sicher, „dass wir den härteren, aber den besseren Weg gegangen sind“. Die ersten neuen Züge sollen in etwa zwei Jahren in Jena rollen.

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FOTO: THOMAS BEIER Eine Straßenbah­n älterer Bauart an der Holzmarktp­assage.

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