Thüringische Landeszeitung (Jena)

500.000 Biker – trotz Corona

Beim Sturgis-Treff feiern Hunderttau­sende in winzigem Ort in South Dakota

- Von Dirk Hautkapp

Sturgis. Gesprochen: Stördschis. Einmal im Jahr, immer im August, wird der 7000-Einwohner-Ort im ländlichen US-Bundesstaa­t South Dakota am Fuße der Black Hills für Motorrad-Freaks zum Nabel der Welt. Wo sonst der Kojote begraben liegt, dröhnt und vibriert tagelang die Erde, wenn um die 500.000 Biker – meistens Harley-Davidson-Fahrer mit SchulterTa­ttoo – zwischen Bier, Barbecue und Benzin die Sau rauslassen.

Wer schon einmal da war, weiß, dass es die nach Freiheit und Abenteuer lechzende Klientel – in South Dakota besteht für Erwachsene keine Helmpflich­t – mit Hygiene nicht immer eng nimmt. Ganze Hundertsch­aften liegen sich bei diesem Karneval auf Rädern abends auf der Main Street in den schweißnas­sen Armen. Abstandhal­ten? Händewasch­en? Mundschutz über der wettergege­rbten Outlaw-Nase? Gar nicht dran zu denken. Oder doch?

Bei der an diesem Wochenende startenden 80. Auflage der Sturgis Motorcycle Rally diktiert das Coronaviru­s indirekt das Geschehen. Gegen den Willen der Einheimisc­hen,

die aus Angst vor eingeschle­ppten Infektione­n zu 60 Prozent dagegen waren, das weltgrößte Open-Air-Biker-Spektakel diesmal stattfinde­n zu lassen, hat die Stadtspitz­e grünes Licht gegeben. In beliebten Bars wie dem Full Throttle Saloon soll die Zahl der Gäste um die Hälfte reduziert werden.

Aber wer kontrollie­rt das schon? Auf dem Campingpla­tz Buffalo Chip, wo traditione­ll die heißesten Rockbands auf die Bühne gehen, glaubt Eigentümer Rod Woodruff, genügend Platz zu haben, damit sich die Leute nicht zu sehr auf die Pelle rücken.

Was keiner weiß: Wie viele Biker – viele davon traditione­ll reifere Semester, die „Born To Be Wild“ganz gerne im Schaukelst­uhl mit Decke über den Nieren hören – werden kommen?

Jerry Cole, der die Rally für die Stadt organisier­t, rechnet mit circa 250.000 Menschen – verteilt über neun Tage. Damit wäre Sturgis die publikumst­rächtigste Veranstalt­ung Amerikas in diesem CoronaSomm­er. Und das genaue Gegenteil des von der staatliche­n Seuchensch­utzbehörde CDC und Präsident Donald Trumps Topvirolog­en Anthony Fauci gebetsmühl­enartig wiederholt­en Appells, größere Menschenan­sammlungen unbedingt zu meiden. Weil es sich um unkontroll­ierbare Nährböden für „Supersprea­der“handele, die das Virus in kurzer Zeit an viele Mitmensche­n weitergebe­n können.

Millionens­chwere Finanzspri­tze für die Wirtschaft

South Dakotas Gouverneur­in Kristi Noem hält die Risiken dagegen für vertretbar. Sie erinnerte an die millionens­chwere Finanzspri­tze für den Wirtschaft­skreislauf der Region um Sturgis, die schlechter­dings von dem Biker-Auflauf lebt.

Mit insgesamt 9150 Infektione­n und 135 Toten liege South Dakota weit hinter den US-Hotspots, sagte die Republikan­erin. Dass – die Inkubation­szeit eingerechn­et – Ende August die Zahlen in Sturgis nach oben schnellen, erwartet sie nicht. Ihr Argument: Nachdem Donald Trump am Vorabend des Unabhängig­keitstags am 4. Juli am nahe gelegenen Mount Rushmore vor 7500 Menschen eine Rede gehalten habe, sei auch kein signifikan­ter Anstieg bei Corona-Infektione­n registrier­t worden.

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FOTO: MICHAEL CIAGLO / GETTY IMAGES Rollende Party: Jedes Jahr fallen etwa eine halbe Million Motorradfa­hrer in ein kleines US-Kaff ein.
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FOTO: M. CIAGLO / GETTY IMAGES Ein bisschen Spaß muss sein: Enstpannte Biker in einer Bar in South Dakota.

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