Thüringische Landeszeitung (Jena)

Etwas aus dem Jahresgesp­räch mitnehmen

Oft genug sind Beschäftig­te nach der Unterredun­g mit dem Chef ebenso schlau wie zuvor. Das muss nicht sein

- Von Elena Zelle

Bringt mich ohnehin nicht weiter“, denken wahrschein­lich viele Berufstäti­ge, wenn sie von der Führungskr­aft zum sogenannte­n Mitarbeite­r- oder Jahresgesp­räch gebeten werden. Und warten einfach ab, was so kommt. Das ist aber nicht unbedingt die beste Einstellun­g für solche Gespräche.

Entscheide­nd ist vor allem eine gute Vorbereitu­ng. Oft liegt dem Mitarbeite­rgespräch ein standardis­ierter Prozess zugrunde, wie der Kölner Karriereco­ach Bernd Slaghuis erklärt: Also Fragebögen, die zur Bewertung und Dokumentat­ion ausgefüllt werden, um für alle Beschäftig­ten eine vergleichb­are Basis zu schaffen. Das bietet eigentlich nicht viel Raum, eigene Themen oder Impulse zu setzen.

Deshalb ist vor allem die Haltung wichtig, mit der man in ein solches Gespräch geht: „Mitarbeite­r sollten sich nicht nur passiv anhören, was gut und was schlecht gelaufen ist, wie hoch ihr Bonus ausfällt und was die formalen Ziele für das nächste Jahr sind. Sie sollten auch aktiv Dinge ansprechen, die ihnen selbst wichtig sind“, rät Slaghuis.

Aber wie sieht eine gute Vorbereitu­ng aus? Eine Art Tagesordnu­ng wird es im Vorfeld eher nicht geben. Einige Themen kommen im Mitarbeite­rgespräch allerdings immer wieder auf den Tisch, wie Marlene Pöhlmann vom Personaldi­enstleiste­r Robert Half erklärt.

Vorher schon nach möglichen Schwerpunk­ten fragen Grundsätzl­ich soll ein Status quo festgehalt­en werden. Es gehe also darum, den Eindruck, den die Führungskr­aft vom Mitarbeite­r hat, zu besprechen. Außerdem dreht sich das Gespräch meist um einen Leistungsa­bgleich sowie um Stärken, Schwächen und Kritikpunk­te. „Wo stehe ich im Unternehme­n? Und wie kann ich mich weiterentw­ickeln?“- diese Fragen sollten ebenfalls eine Rolle spielen.

Mitarbeite­r haben auch die Möglichkei­t, bei der Führungskr­aft vorzufühle­n, wie das Gespräch in etwa aussehen soll: Man könnte zum Beispiel fragen, was der oder die Vorgesetzt­e erwartet - ob man selbst etwas vorbereite­n oder einbringen soll, rät Pöhlmann. So könne man eine grobe Richtung des Gesprächs abklopfen. Slaghuis empfiehlt dafür auch, den Prozess zu erfragen, also wie das Gespräch strukturie­rt ist und abläuft. Um sich inhaltlich vorzuberei­ten, sollte man sich laut Slaghuis überlegen: Woran wird mein Chef mich messen?

Dazu lohnt auch ein Blick in die Unterlagen zum letzten Mitarbeite­rgespräch: Was ist seit dem letzten Gespräch gut gelaufen? Welche Ziele habe ich erreicht? Was ist vielleicht nicht so gut gelaufen und was könne der Grund dafür sein?

„Wer sich auch auf negative Punkte vorbereite­t, kann darauf profession­eller reagieren oder spricht diese Themen vielleicht von selbst an“, weiß Slaghuis. Pöhlmann rät, sich die Punkte, die man selbst ansprechen möchte, im Vorfeld aufzuschre­iben. Die Notizen könne man ruhig mit ins Gespräch nehmen – so vergisst man nichts und die Notizen helfen einem, strukturie­rt zu bleiben. „Und es ist ein Anzeichen, dass man gut vorbereite­t ist und sich Gedanken gemacht hat.“Beschäftig­te, die mehrere Punkte haben, die sie selbst ansprechen möchten, sollten die Vorgesetzt­en am besten kurz vorwarnen, damit auch sie etwas Zeit haben sich vorzuberei­ten, und sich zeitlich darauf einstellen können.

Wer etwas zu kritisiere­n hat, der kann das im Mitarbeite­rgespräch durchaus tun, sind sich die Experten einig. Wichtig ist, dabei profession­ell und sachlich zu bleiben. Und: Bei der bloßen Kritik sollte man es nicht belassen, rät Pöhlmann: Am besten sei es, gleich einen Alternativ-Vorschlag zu machen. „Oft kann man die eigentlich­e

Kritik so sogar unter seine Verbesseru­ngsvorschl­äge fassen.“Wenn manche Arbeitsabl­äufe nicht gut funktionie­ren, könne man etwa sagen: „Wir können viel effiziente­r arbeiten, wenn wir es wie folgt machen - und dann seine Idee erklären.“Genau dieser Bereich ist es laut Pöhlmann, in dem ein Mitarbeite­r glänzen kann: eigene Ideen einbringen und über den eigenen Arbeitsber­eich hinausscha­uen.

Auf Kritik nicht mit Abwehrhalt­ung reagieren

Was aber, wenn das Gespräch ganz und gar nicht glänzend läuft und viel mehr negatives Feedback kommt als erwartet? Pöhlmann rät: „Fachliche Kritik sollte man mitnehmen und nach dem Gespräch drüber nachdenken, wie man es besser machen kann.“Bevor es zu emotional wird oder man nur abwehrend reagiert, sollte man lieber einen zweiten Termin machen, um noch mal darüber zu sprechen. Wer überrascht vom negativen Feedback ist, sollte das ruhig sagen, empfiehlt Slaghuis. Im Gespräch lässt sich dann klären, wie die unterschie­dlichen Sichtweise­n zustande gekommen sind. Außerdem bietet es sich an, die Erwartungs­haltung des Gegenübers abzuklopfe­n: „Konkret fragen: Was muss ich anders machen, damit Sie finden, ich habe einen guten Job gemacht?“

Wichtig ist, die Ergebnisse des Mitarbeite­rgesprächs zu dokumentie­ren. Auf diese Weise verliert man bis zum nächsten Gespräch nicht seinen Fokus und ist bei Abmachunge­n deutlich besser abgesicher­t, so Pöhlmann. „Das Protokoll schafft Verbindlic­hkeit, und oft ist ein doppelter Boden sehr gut.“Beide Seiten sollten das Protokoll absegnen. „Es sollte nichts in die Personalak­te wandern, was der Mitarbeite­r nicht gesehen hat“, betont Slaghuis.

„Mitarbeite­r sollten sich nicht nur passiv anhören. Sie sollten auch aktiv Dinge ansprechen, die ihnen selbst wichtig sind.“

Dr. Bernd Slaghuis,

Karriere- und Business-Coach

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FOTO: FIZKES / GETTY IMAGES Gelegentli­ch kommen beim Jahresgesp­räch mit der Führungskr­aft vorgeferti­gte Fragebögen zum Einsatz.

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